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Summerhill und die Situation 100 Jahre später


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Hausarbeit (1. Staatsprüfung) 1999, Universität Lüneburg: Stefanie Bosselmann: We don't need no education" - Summerhill einst und jetzt.
Zurück: (5. Zur Struktur Summerhills: Prinzipien - Hauptmerkmale - Besonderheiten )
Fortsetzung: (7 Summerhill in der Öffentlichkeit )



6 Summerhill nach Neill

Der Großteil der heute vorliegenden Literatur über Summerhill bezieht sich auf Neill zu seinen Lebzeiten und berücksichtigt häufig nicht die folgenden 26 Jahre bis heute.

Dieses Kapitel soll zeigen, daß und wie sich Summerhill nach dem Tod Neills 1973 weiterentwickelt hat und daß Summerhill ist mehr als ein Experiment ist, das auch unabhängig von seiner Gründerperson weiter existiert.

Dieses Kapitel verweist neben den Schulleitern auch auf die heutigen Schüler Summerhills.

6.1 Zeit um Neills Tod Viele Menschen verbinden mit Summerhill eine Schule im Zuge der 68er Jahre. Besonders nach dem Erscheinen von "Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung. Das Beispiel Summerhill" (1969) waren Neill und Summerhill international bekannt. Zu diesem Zeitpunkt war Neill jedoch schon weit über 80 Jahre alt und hatte sich bereits aus dem Schulalltag zurückgezogen und zeigte immer weniger Interesse daran. Dennoch blieb er der offizielle Schulleiter.

Speziell mit Neills Tod ist für viele auch die Schule Summerhill nicht mehr vorhanden. Summerhill und Neill wurden gleichgesetzt. Keines ist von dem anderen zu trennen. So kam es, daß mit seinem Tod und dem Ende der Studentenbewegung auch Summerhill in Vergessenheit geriet.

Wie anderen bekannten Schulleitern wurde auch Neill wundersame erzieherische Fähigkeiten und ein besonderes Genie nachgesagt (Vgl. Kamp 1997a, 133).

Neill selbst war schon lange vor seinem Tod mit der Sorge um einen geeigneten Nachfolger beschäftigt. Es ging ihm hauptsächlich darum, seine Prinzipien weiter zu verfolgen und keine Abweichungen oder Kompromisse vorzunehmen. Er war immer gegen Veränderungen seiner Prinzipien, weswegen es gelegentlich zu Differenzen zwischen ihm und seinem Personal kam (Vgl. Kamp 1995, 414). Summerhill sollte entweder wie bisher weitergeführt werden oder schließen (Vgl. Kamp 1995, 436f). Die Befürchtung der Schließung war schon seit längerer Zeit berechtigt und verstärkte Neills Sorgen um Summerhills Zukunft (s. Kapitel 8). Als Nachfolger standen mehrere Personen zur Auswahl, u. a. auch Neills Tochter Zoë, die zu diesem Zeitpunkt jedoch kein Interesse an dieser Tätigkeit zeigte.

6.2 Summerhill unter Enas Leitung In Neills letzten drei Lebensjahren wurde Summerhill im Prinzip von seiner Frau Ena Neill geleitet, die schon vorher erheblich an der Verwaltung teilhatte (Vgl. Kamp 1995, 437).

Ena begann ihre Arbeit in Summerhill mit dem Umzug der Schule nach Wales im Jahre 1939. Ihr Sohn Peter lebte in Summerhill und Neill bot ihr eine Beschäftigung als Köchin an. Zu dieser Zeit hatte sie sich bereits von ihrem ersten Mann Bill Wood getrennt und gerade ihre Arbeitsstelle in London verloren. Ihre vielseitigen Fähigkeiten wurden schnell entdeckt und so kümmerte sie sich im Laufe der Zeit um immer mehr Tätigkeiten, speziell als der Zustand von Neills erster Frau sich zunehmend verschlechterte.

In den sechziger Jahren übernahm sie die praktische Leitung Summerhills. Sie bearbeitete alle Bereiche der Schule: Sie betreute sowohl das Personal, als auch die Kinder, organisierte Tanzabende und kümmerte sich um die finanziellen Belange.

Ihr Engagement wurde von der Öffentlichkeit jedoch kaum oder gar nicht beachtet. Sie besaß einen starken Charakter und war für ihre beharrliche Arbeit einerseits und ihre ausgeprägte Mütterlichkeit andererseits bekannt. Ena Neill veränderte die Prinzipien ihres Mannes nicht. Sie leitete Summerhill nach wie vor nach den gleichen Grundsätzen und wurde dabei von ihrem Sohn Peter aus erster Ehe unterstützt, der bereits 1978 starb (Vgl. Kamp 1995, 437).

Ena hatte zunächst die Schließung der Schule aufgrund größter finanzieller Schwierigkeiten zu befürchten, die jedoch durch Neills Testament gelöst wurden (Vgl. Kamp 1995, 437). Sie war 12 Jahre lang offizielle Schulleiterin und auch nach 1985 hielt sie engen Kontakt zur Schule und verteilte weiterhin samstags das Taschengeld an die Kinder ('poc'). Sie wohnte weiterhin auf dem Schulgelände und starb 1997 im Alter von 87 Jahren.

6.3 Zoë als Schulleiterin 1985 übernimmt schließlich Enas und Neills Tochter Zoë die Schulleitung.

Zoë wurde am 2. November 1946 in Summerhill geboren und verbrachte ihre Kindheit und Jugend dort. Ihr Aufwachsen wurde sowohl von Neill als auch von der Öffentlichkeit als Ausnahmeerscheinung eines absolut freien Kindes von Geburt an dokumentiert.

Zoë war sich während ihrer Kindheit ihrer außergewöhnlichen Lebensumstände nicht bewußt. Erst als Jugendliche begann sie, Neills Bücher zu lesen (Vgl. Readhead in FOST 1994, 4).

Zoë ist seit September 1971 mit dem örtlichen Farmer Tony Readhead verheiratet und lebt mit ihm und ihrer Familie außerhalb des Schulgeländes auf einer Farm. Ursprünglich wollte sie nicht Schulleiterin werden. Sie ist gelernte Reitlehrerin und hat vor ihrer Hochzeit sechs Monate an der 'Lewis Wadham Free School' in New York State gearbeitet (Vgl. Readhead 1995, 43). Als sie 1985 dennoch die Schulleitung übernahm, hatte sie nur eine feste Vorstellung von ihrer neuen Tätigkeit: "...the essential philosophy and character of the school had to remain." (Readhead in FOST 1) "...his [Neill`s] way was the only way I knew and seemed to make perfect sense" (Readhead in Times 5.04.1992, 2).

Der einzig wirkliche Unterschied besteht in der Unterrichtsversorgung, die sogar von ehemaligen Schülern kritisiert wurde (s. Kapitel 9.3.).

Zoë stellt bis heute nur Lehrer mit entsprechender Ausbildung ein. Zusätzlich erhöhte sie die Schulgelder und Gehälter des Personals um etwa 50% mit der Begründung, daß Summerhill dadurch möglichst die besten Lehrer und Ausstattungen finanzieren kann (Vgl. Kamp 1995, 438; Readhead in FOST 1988). Sie selbst wird für ihre Arbeit nicht bezahlt.

Neill setzte sich immer für möglichst niedrige Kosten ein, aber inzwischen haben sich die Lebensumstände verändert und die Lehrer verdienen es, angemessen bezahlt zu werden. Sowohl das Gehalt des Personals als auch die Kosten der Eltern sind im Vergleich zu denen anderer Einrichtungen niedrig.

Die finanzielle Situation ist trotz des erhöhten Schulgeldes schlecht. Trotz der anhaltenden öffentlichen Diskussion um die Erhaltung oder Schließung der Schule sind die Schülerzahlen mit 55-60 Schüler relativ niedrig, wodurch Schulgelder fehlen bzw. auf die Eltern umgelegt werden müssen. Ein Term dauert 11 Wochen und kostet zwischen 5049 und 6897 Pfund, je nach Alter und Geschwisterzahl des Kindes (Vgl. Kamp 1995, S. 438). Es gibt zur Zeit keine Warteliste und aufgrund der finanziellen Situation kann die Schule nicht wählerisch in der Aufnahme neuer Kinder sein.

Andere Veränderungen bestehen in der Einrichtung der Gebäude. Neill legte keinen Wert auf schöne Möbel oder eine schicke Dekoration der Kinder- und Klassenzimmer, da Kinder kein Gefühl von Eigentum haben und die Einrichtung zweckmäßig sein sollte (Vgl. Neill 1969, 144). Die teuren Möbel würden nur dem Spiel der Kinder zum Opfer fallen. Zusätzlich herrschte ständiger Geldmangel, so daß am Inventar gespart wurde. Inzwischen wurden jedoch neue Möbel angeschafft, da die Inspektoren die alten bemängelten (Vgl. Appleton (1995), 68). Seit Neills Tod wurde Summerhill häufig inspiziert, auf die Konsequenzen wird in Kapitel 8 ausführlich eingegangen.

Seit Sommer 1998 gibt es keine Unterrichtsstunden mehr am Nachmittag, stattdessen werden verschiedener Aktivitäten (s. Anhang III) wie das Erstellen einer Schulzeitung, Gartenarbeit oder Yoga angeboten - alles Aktivitäten, die nichts mit akademischen Lernen zu tun haben (Vgl. www.s-hill.demon.co.uk). Das Nachmittagsangebot wurde im letzten Term nicht gut besucht, so daß wieder über die Einführung der ursprünglichen Unterrichtsstunden diskutiert wird.

Heute kümmert sich Zoë mit ihrem Mann Tony und einer Sekretärin um die Verwaltung und hält sich aus dem alltäglichen Leben der Kinder heraus.

Im Gegensatz zu ihrem Vater werden ihr keine besonderen Fähigkeiten im Umgang mit Kindern nachgesagt. Allerdings hat sie auch eine bemerkenswerte Intuition. Sie erteilt überhaupt keine PLs (s. Kapitel 3.4.), nimmt aber gelegentlich ein auffälliges Kind zu einem Gespräch zur Seite (Vgl. Appleton (1995), 78).

Zoë und Tony haben vier gemeinsame Kinder, die alle frei erzogen wurden und ebenfalls in Summerhill zur Schule gingen. Ihr jüngster Sohn Neill arbeitet heute ebenfalls als Lehrer dort.

6.4 Summerhills heutige Schüler Im ersten Term des Jahres 1999 besuchten 36 Jungen und 22 Mädchen Summerhill. Unter ihnen sind sieben Tagesschüler und 32 Kinder aus dem Ausland. Die jüngsten Kinder sind 10 Jahre alt, so daß das ehemalige Sanatorium zur Zeit nicht bewohnt ist.

Es gibt keine Unterschiede zwischen den Kindern, die auf ihre Nationalität zurückzuführen werden können.

Seit einigen Jahren sind etwa ein Drittel der Schüler aus Japan. Summerhill ist dort durch

Übersetzen einiger Neills Büchern von Seishi Shimoda relativ bekannt geworden (Vgl. Kamp 1995, 445). Zudem sind viele Eltern besorgt um ihre Kinder, da das japanische Schulsystem sehr streng ist. Die japanischen Schüler fallen deshalb durch ihre andere Kultur am ehesten auf. Sie besitzen eine gewisse Introvertiertheit, wenn sie neu nach Summerhill kommen. Es dauert lange, bis sie sich aktiv an den Meetings beteiligen oder einen eigenen Standpunkt vertreten. Deshalb werden pro Jahr auch nur ein oder zwei japanische Schüler aufgenommen (Vgl. Appleton (1995), 91ff.).

6.5 Zusammenfassung Inzwischen ist Neill seit mehr als 25 Jahren tot und Summerhill existiert nach wie vor. Die Schule wurde zunächst von Neills zweiter Ehefrau Ena und seit 1985 trotz anfänglichen Widerwillens von ihrer gemeinsamen Tochter Zoë geleitet. Die Schulphilosophie ist nach wie vor wie zu Neills Lebzeiten, jedoch ist das Personal heute pädagogisch ausgebildet. Die Schülerzahlen gingen in den letzten Jahren auf 56 zurück, wobei etwa ein Drittel der Kinder aus dem asiatischen Bereich kommt.



Hausarbeit (1. Staatsprüfung) 1999, Universität Lüneburg: Stefanie Bosselmann: We don't need no education" - Summerhill einst und jetzt.
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