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Literatur
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Literatur & MedienZurück: (6. Summerhill nach Neill) Fortsetzung: (8. Summerhill in Not: Zur gegenwärtigen bildungspolitischen Situation ) Die Folge war eine erneute Inspektion, negative Schlagzeiten über die Grenzen Groß Britaniens hinaus, eine aufgebrachte Bevölkerung und eine völlige Infragestellung der Prinzipien Summerhills und der Kompetenzen ihrer Vertreter. Die Richtigkeit oder Umstände des Entstehens des Films werden daraufhin versucht, in den Zeitungen und eigenen Darstellungen geklärt zu werden. 1994 sendete der deutsche Privatsender SAT 1 einen Vergleich Summerhills mit der Erziehung der Thomaner Chorknaben aus Leipzig, weil beide Einrichtungen Extrempositionen darstellen und ihre weitere Existenz bedroht ist. Die auffallend kürzere Darstellung Summerhills ist mit der Channel 4-Produktion durchaus vergleichbar. Anlaß des Vergleichs war das Ergebnis der damaligen Inspektion, die Summerhill ein katastrophales Unterrichtsniveau und die Verwahrlosung der Kinder vorwarf (s. Kapitel 8.2.). Der Film zeigt ebenfalls ein sarkastisches Theaterstück. Dieses stellt eine traditionelle Unterrichtstunde dar, in der die Kinder ihrem entsetzten Lehrer erklären, was Oralsex ist und wie dieser zu praktizieren ist. Es werden zudem bewaffnete Kinder gezeigt und Summerhill als "Kinderparadies mit Plastikpistolen" bezeichnet mit dem Zusatz "Kritiker nennen es Anarchie, Selbstbestimmung nennt es Summerhill". Ein anderer Bericht entstand 1970 in Kanada. Dieser soll Summerhill als Vorbild für andere Schulen und speziell für die zwei in Kanada nach Summerhill gegründeten Schulen darstellen. Es handelt sich hierbei also um eine sehr positive Darstellung. In diesem Film sprechen Neill, Ena und einige Schüler über Summerhill. Es findet keine Dokumentation durch einen Reporter statt. Wie in den anderen Filmen auch werden der freiwillige Unterricht, die Meetings, Schlafenszeiten, Erfahrungen an staatlichen Schulen und alle anderen wichtigen Bereiche thematisiert. Die Schüler sagen, daß sie in Summerhill glücklich sind. In Juliane Schuhlers Dokumentation "Summerhill heute Ñ Das Ende einer Hoffnung?" von 1981 werden zwei weitere Schwerpunkte gesetzt. Der erste behandelt das verhaltensauffällige Kind Clare und die Frage, wie in Summerhill mit Problemkindern umgegangen wird. Den zweiten Schwerpunkt bilden die älteren Schüler und der Übergang in die Gesellschaft. Die Frage, ob sich Summerhill-Schüler in der Außenwelt behaupten können, wird auch nach Enas Äußerung über einen problemlosen Wechsel von der Reporterin nicht beantwortet. Ebenso erscheinen die dargestellten Belange der Kinder als nicht wirklich nachvollziehbar. So wird z. B. bei der Darstellung der Ausgangsregeln nicht deutlich, daß diese auf Erfahrungen beruhen und der Sicherheit speziell der kleineren Kinder dienen. Positiv für die Meinungsbildung der Zuschauer ist jedoch, daß zusätzlich ein Vater und ein Houseparent über Summerhill befragt werden und das Meeting und die Funktionen von Ombudsmen, Chairman, Sekretär und Komitees aufgezeigt wird. Doch trotz zahlreicher zutreffender Zusatzinformationen erscheint Summerhill als ein Ort für verhaltensauffällige Kinder, über deren Lebensweg nach der Schule keine Aussagen getroffen werden können. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre entstand "Being happy is what matters most", in dem erstmals Zoë als Schulleiterin in Erscheinung tritt. Es wird aus vielen Perspektiven berichtet, aber das Thema, das sich wie ein roter Faden durch den Film zieht, ist die Sexualität. Es werden unbekleidete Schüler am Swimmingpool gezeigt und die älteren Schüler werden über ihre Erfahrungen und Einstellungen zum Thema Sex befragt. In diesem Film tauchen auch Flüche und vulgäre Ausdrücke der Kinder auf. Zusätzlich wird über Alkohol und die Abschaffung aller Gesetze gesprochen. Neills Grundsätze, seine Prinzipien, die Meetings, die Gleichheit und andere wichtige Themen werden nicht oder nur am Rande erwähnt, so daß es einem Zuschauer ohne Vorwissen nicht ermöglicht wird, sich eine objektive Meinung zu bilden. 1997 erschien der Film "The Children of Summerhill" von Bernard Kleindienst, der in England und Frankreich entstand. Er besteht aus Gesprächen mit 14 ehemaligen Summerhill-Schülern aller Altersstufen, die über ihre Schulzeit und ihr Urteil über Summerhill sprechen. Unter ihnen befindet sich u. a. ein ehemaliges 'Problemkind', das PLs bei Neill hatte und ein Mann, der erst viele Jahre nach seiner Schulzeit das Lesen und Schreiben lernte, weil er einer der wenigen Schüler war, die nie zum Unterricht gingen. Bis auf eine ehemalige Schülerin, die sich mehr Ermutigung und Anregungen durch die Lehrer gewünscht hätte und sich über die herrschende Langeweile äußerte, waren alle Stimmen sehr positiv über Summerhill. Der Film geht auf den weiteren schulischen und beruflichen Werdegang der ehemaligen 'Summerhillians' ein und zeigt, daß sie alle sowohl ihren persönlichen Platz im späteren Leben als auch einen Beruf gefunden haben und widerspricht somit dem Vorurteil, daß Summerhill seine Schüler nicht auf die Zukunft vorbereitet. Besonders durch den Film von Channel 4 entstanden sensationelle Schlagzeilen über Summerhill auf die viele Leserbriefe folgten (Vgl. Appleton (1995), 3). In den oben genannten Zeitungen wird Summerhill äußerst selten thematisiert. In The Times und The Sunday Times erschienen im genannten Zeitraum zusammen und in The Guardian ebenfalls insgesamt 13 Artikel über Summerhill. Im TES findet man innerhalb zwei Jahren fünf Artikel, darunter Leserbriefe. Über Summerhill wird im allgemeinen nur berichtet, wenn entweder ein Skandal bekannt wurde oder eine ausführliche Inspektion durchgeführt wurde. Deshalb geriet Summerhill besonders im Jahr 1992 durch die auf Channel 4 übertragende Dokumentation und 1994 bzw. 1997 durch die drohende Schließung seitens der staatlichen Schulbehörde in die Öffentlichkeit. In einem Sonderbericht vom 31.03.1992 von Jasper Rees wird Summerhill jedoch polemisch dargestellt. Äußerungen wie "But in this hotbed of delinquency a vocabulary of debate thrives" oder "All the forum seemed to teach them how to be publicly cruel to one another." (Rees in Times 31.03.1992, 3) lassen keine Möglichkeit zu, an das Funktionieren von Neills Theorie und Praxis zu glauben. In der nächsten Ausgabe von The Sunday Times erscheint ein von Lesley White ausführlich geführtes Interview mit Zoë, die über die Folgen des Films für die Schule berichtet und die Umstände erklärt, durch die solches Filmmaterial zustande kommen konnte (Vgl. White in Sunday Times 5.04.1992, 2). Zusätzlich erschienen unabhängig von Skandalen oder Inspektionen ein ausführlicher Bericht über Zoë und ihre Familie und ein Nachruf anläßlich Enas Tod (Purves in Times, 2.01.1991, 14; O. A. in Times 11.11.1997, 25). Trotz keiner auffallend schlechten Publicity durch The Times fällt auf, daß die Artikel zuerst erscheinen, in denen primär die negativen Auffassungen von Summerhill dargestellt werden, und diese erst danach durch Darstellungen der anderen Seite entschärft werden. Der daraus resultierende Vorteil hierbei ist, daß die Perspektive der Berichte vielseitig ist und der Leser gut informiert wird. Von den restlichen Artikeln nennen fünf die Schule Summerhill bereits im Titel, jedoch nur zwei davon auch mit dem Namen 'Summerhill (School)'. Die anderen bezeichnen es gleich als 'Freedom' (Vgl. O. A. in Guardian 29.12.1990, 2; Meikle in Guardian 10.02.1994, 7) oder 'Offbeat School' (Vgl. Carvel in Guardian 21.02.1998, 6). Auch hier tritt Summerhill unter den bereits erwähnten Voraussetzungen in die Öffentlichkeit: durch die Channel 4-Dokumentation von 1992 und durch Inspektionen, besonders die von 1997. Die Artikel sind generell länger als die der Times. In den ersten Sätzen werden meist die größten Besonderheiten von Summerhill dargestellt: eine Schule, in der der Unterricht freiwillig ist und die Stimme eines Fünfjährigen genauso viel zählt wie die des Schulleiters. Ein anderer Artikel beginnt allerdings auch zwei Jahre nach dem skandalösen Film mit "Summerhill School, the pounds 5,000-a-year home of alternative education, where pupils choose their lessons and go nude bathing with staff, clashed with the conventional establishment yesterday." (Vgl. Meikle in Guardian 10.02.1994, 7) Dennoch stimmt die Darstellung im großen und ganzen mit der von The Times überein. Die Artikel sind sehr sachlich und stellen beide Seiten dar und lassen Vertreter beider Seiten zu Wort kommen, so daß der Leser sich eine eigene Meinung über Summerhill bilden kann. Dieses wird durch Stimmen von Eltern unterstützt, die ihre Kinder nach Summerhill schicken. In dieser pädagogischen Zeitschrift wird mehr Raum für befürwortende Stimmen von Summerhill und gleichzeitig auch Kritik an dem staatlichen Schulsystem gelassen. In den Artikeln werden die Vorwürfe an Summerhill zu widerlegen versucht. Josephine Gardiners ausführlicher Artikel "Order in Anarchy" geht z. B. auf die gut organisierten Meetings ein, erwähnt, daß es in dieser 'Freiheits-Schule' etwa 200 Gesetze gibt und zitiert einige von ihnen, vergleicht Neills Menschenbild mit dem von William Golding dargestellten, erklärt daß Summerhills Einrichtung spärlich ist, weil die Kinder Möbel als Gebrauchsgegenstände sehen und deshalb auch auf ihnen herumtoben u. ä. (Vgl. Gardiner in TES 20.03.1998, 10). Zusätzlich wird detailliert zu den Vorwürfen der Inspektoren Stellung genommen. Summerhill existiert somit durchaus im pädagogischen Bewußtsein und seine Sonderstellung wird bewußt wahrgenommen. Die Artikel gehen auf die Homogenisierung des Schulsystems ein, in deren Konzept Summerhill nicht hineinpaßt. Eine Ausnahme bilden der Spiegel und die Zeit, die in den neunziger Jahren jeweils zweimal über Summerhill berichten. An dieser Stelle soll lediglich exemplarisch auf die beiden Spiegel-Artikel von 1994 und 1998 eingegangen werden. Der Artikel von 1994 wurde anläßlich der drohenden Schließung und der 1998 erschienene aufgrund des Titelthemas "Eltern ohne Einfluß. Ist Erziehung sinnlos?" veröffentlicht. In beiden Fällen handelt es sich um keine angemessene Darstellung der Schule und ihrer Prinzipien, die nicht erklärt werden. Alles, was beispielsweise über das Meeting berichtet wird lautet: 7.3.1 Eigene Darstellung der Schule Zusätzlich ist Summerhill im Internet mit einer eigenen Seite vertreten. Die Seite wurde sehr sorgfältig eingerichtet. Ihr Umfang unter Verwendung des üblichen Schrifttyps und Zeilenabstands entspricht mehr als 60 DIN-A-4-Seiten. Sie wird regelmäßig aktualisiert und behandelt alle Bereiche der Schule, sowohl geschichtliche als auch aktuelle Themen. Normalerweise beginnt die Seite mit der Geschichte Summerhills - mit ihrem Gründer Neill, seinen Anfängen als Schulleiter und Summerhill heute. Es werden seine Prinzipien Freiheit und Selbstregierung erläutert und exemplarisch dargestellt und der Ablauf eines typischen Tages wird beschrieben (s. Anhang IV). Zusätzlich wird auf Neuigkeiten aufmerksam gemacht, z. B. auf mögliche Stellenangebote, Inspektionen oder gravierende Veränderungen der Gesetze. Außerdem sind das Tagebuch des Science-Lehrers Michael Newman, Interviews mit einigen Schülern und häufig gestellte Fragen mit den entsprechenden Antworten im Internet veröffentlicht. Die Artikel enthalten viele Bilder und es gibt eine Fototour durch die Schule. Aus gegebenen Anlaß ist dem Ganzen zur Zeit ein Aufruf zur Rettung Summerhills vor der Schließung vorangestellt. Zu diesem Zweck wird die Kampagne "S.A.V.E. Summerhill" vorgestellt. Außerdem wird der Bericht der letzten Inspektion und eine Zusammenfassung der Summerhill Conference im Juli 1999 gezeigt (s. Kapitel 8). Summerhill ist sehr an der Verbreitung eigener Informationen interessiert. Die Schule selbst ist im Internet vertreten und ruft dort zur Zeit zur Mithilfe für das Weiterbestehen der Schule auf. Bis vor wenigen Jahren gab es für Summerhill-Interessenten jährlich zwei Journale der Organisation 'Friends of Summerhill Trust', die über die aktuelle Situation Summerhills berichtete. Sowohl Journal als auch die Organisation wurden jedoch aufgelöst.
Hausarbeit (1. Staatsprüfung) 1999, Universität Lüneburg: Stefanie Bosselmann: We don't need no education" - Summerhill einst und jetzt. Zurück: (6. Summerhill nach Neill) Fortsetzung: (8. Summerhill in Not: Zur gegenwärtigen bildungspolitischen Situation )
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