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Diplomarbeit 1996: Margit Zellinger: Summerhill heute, Uni Salzburg
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Fortsetzung: (Literaturverzeichnis /Anhang)


10. Schlußbemerkungen

"In den Fabriken, die man Schulen nennt, werden die Kinder gezwungen, Unmassen mechanisch gelernter Fakten in sich hineinzustopfen; und zu bestimmten Zeiten werden sie einer feierlichen Folter, Prüfung genannt, unterworfen und sollen die Fakten auf einem leeren Blatt Papier wieder von sich geben - worauf ihr Kopf dann wieder so leer ist wie zuvor. Diejenigen, die es am besten verstehen, Gepauktes wieder auszuspeien, gelten als die Auserwählten, die den höchsten Lohn verdienen; und sie bekommen auch unverzüglich das Etikett des Klügsten und Begabtesten angeheftet, obwohl sie sich, dank der genossenen Schulbildung, allzuoft nur auszeichnen durch Mangel an klarem Verstand und lebendigem Gefühl."1

Das genaue Gegenteil dieser von Ashley beschriebenen Schulen ist Summerhill. Hier wird niemand zu etwas gezwungen, auch Prüfungen gibt es nur auf freiwilliger Basis. Die Schüler unterscheiden sich nicht nach Klugen oder Dummen. Emotionen sind wichtiger als der Intellekt. Summerhill gibt es nach 75 Jahren, nach vielem Auf und Ab, noch immer. Auch in den letzten fünf Jahren, in denen ich die Entwicklung der Schule etwas mitverfolgte, gab es einige sehr bedrohliche Krisen. Einmal der Film auf Channal 4 (viertes britisches Fernsehprogramm), der zu einer Zeit gedreht wurde, als gerade viele neue Schüler in Summerhill waren. Ein Großteil der älteren Schüler hatte die Schule ein Term vorher verlassen und die Gemeinschaft mußte sich erst neu organisieren. Die Probleme die dabei auftauchten, wurden im Film stark hervorgehoben (Schüler, die in der Nacht die anderen störten, viele Konflikte, "bullying"...). Halbnackte Schüler im Massageunterricht, und völlig nackte beim schwimmen, schockierten die Öffentlichkeit, und die Printmedien hatten Skandalstoff für einige Wochen. Letztlich aber zeigte sich, daß durch diesen Film doch verstärkt Engländer auf die Schule aufmerksam wurden und die Zahl der Anmeldungen aus England zunahmen.

Eine zweite Krise kam durch den Inspektionsbericht 1993. Die Inspektion war die Folge des Channal 4 Films. Der Bericht führte zu Schlagzeilen - wie "Summerhill droht Schließung"2 - in deutschen Zeitungen. Denn auf Forderungen wie "verpflichtender Unterricht" kann und will Zoe Readhead nicht eingehen. Das würde den Kern der Schule, das Prinzip der Freiheit, verletzen. Andere Forderungen aber, wie zum Beispiel eine Verbesserung der Sanitäreinrichtungen, wurden erfüllt und letztlich gab es keine negativen Konsequenzen für die Schule von seiten der offiziellen Schulbehörde. Summerhill existiert noch immer.

Wenn man sich die Schulalternativen der Reformpädagogischen Bewegung der 20er und 30er Jahre ansieht, so ist auffällig, daß Neill in der einschlägigen Literatur nicht genannt wird, obwohl er doch gemeinsam mit Beatrix Ensor durch die New Era und schließlich die New Educational Fellowship eine internationale Verbindung geschaffen hatte. Sein Modell Summerhill wurde einfach verschwiegen. War er zu radikal? Sein Vortrag bei der Gründungssitzung der New Educational Fellowship in Calais wurde ja schon damals von einigen Mitgliedern als gefährlich und anarchistisch bezeichnet. (vgl. S. 31)

Neill sprach von Freiheit und gab seinen Schülern auch völlige Freiheit über den Bereich, der sie selbst betraf. Er war völlig überzeugt vom Guten im Kind und vom Kind als vollwertigen Menschen, das für sich selbst Verantwortung übernehmen kann. Nach dieser Überzeugung lebte und handelte er auch.

Neills Erziehungsexperiment ist längst kein Experiment mehr. Vielmehr könnten wir alle lernen von seinen Erfolgen und auch Mißerfolgen. Unter "Mißerfolg" verstehe ich hier zum Beispiel, daß Neill jahrelang PL`s (therapeutische Einzelsitzungen) gab und seine Schüler analysierte, ehe er draufkam, daß nicht Analyse, sondern Freiheit und Liebe geheilt haben. Vielleicht könnten wir uns in unserer heutigen Gesellschaft viel Geld, das wir für Therapien ausgeben, ersparen, wenn wir einander mit mehr gegenseitiger Achtung und dem Vertrauen auf das Gute in jedem Menschen begegnen würden.

Anstatt unsere Kinder in den Schulen und oft schon im Kindergarten mit Wissen vollzustopfen und ihnen die Freude am Lernen oft früh zu verderben, könnten wir mehr darauf vertrauen, daß sie ohnehin immer lernen, und wir sollten ihnen die Möglichkeit bieten, durch Spiel und persönliche Erfahrungen im gemeinsamen Tun fürs Leben zu lernen. Lassen wir sie hinaus in die Natur, und sperren wir sie nicht täglich stundenlang in zu kleine Klassenzimmer, um ihnen dann im Turnunterricht Bewegung zu verordnen.

In Summerhill gelten noch immer dieselben Grundsätzen wie zu Beginn, nämlich Selbstverwaltung und Freiheit des einzelnen. Die Regelschule wird alle paar Jahre wieder ein Stück reformiert, was aber meiner Meinung nach letztlich zu wenig befriedigenden Ergebnissen führt.

Wie soll man Summerhill nun beurteilen? Im Laufe der Jahre wurde Summerhill von den einen als fortschrittlich, richtungsweisend bejubelt, von den anderen verdammt. Doch ist es nicht gleichgültig, wie sich der Einzelne dazu stellt? Wichtig ist, daß dieses Experiment eine bis heute nicht abreißende Auseinandersetzung über Methoden der Kindererziehung in Gang gebracht hat.


Fußnoten:


1 Montague Ashley, in: Heart 1971, S. 46f
2 Süddeutsche Zeitung, 12., 12. 2. 94; Die Welt, 12. 2. 94



Diplomarbeit 1996: Margit Zellinger: Summerhill heute, Uni Salzburg
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