|
Literatur
|
Literatur & MedienZurück: (8. Summerhill in Not: Zur gegenwärtigen bildungspolitischen Situation ) Fortsetzung: (10. Thesenartige Zusammenfassung der einzelnen Kapitel) Neill war davon überzeugt, daß sich die englischen Public Schools nicht durch ihn verändert haben. Er sagte: "Summerhill ist ein kleines Boot in einem Strom, einem Strom allerdings, der gegen die Hauptströmung fließ." (Neill, 1971, S. 107). Neill beschäftigte sich in seinen frühen Jahren besonders gern mit 'problematischen' und auffälligen Kindern. Auf solche wurde und wird jedoch bis heute im staatlichen Schulwesen zu wenig eingegangen, als daß es sich von Neill beeinflussen ließe. Nach den Möglichkeiten einer freiheitlicheren Erziehung im staatlichen Schulsystem wurde Neill meistens von jungen Lehrern gefragt. Neill antwortete, daß dieses zwar schwer ist, dennoch aber selbst unter ungünstigen Verhältnissen viel für die Verbesserung der Schulsituation getan werden kann. Jeder Lehrer kann in seinem Unterricht auf des Seite der Kindes sein und auf Strafen und einen absoluten Gehorsam verzichten. Falko Peschel gibt darüber hinaus ausführliche Anregungen, die Ansätze des frühen Neill während seiner Tätigkeit in der Gretna Public School im heutigen Unterricht wieder aufzugreifen. Neill setzte schon damals Forderungen um, die noch heute als fortschrittlich gelten. Im Zuge der Öffnung der Schulen kann z. B. verstärkt auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen werden, so daß die Schule zu mehr als einem Ort des Unterricht werden kann (Vgl. Peschel 1995). Aber auch dieses kann unter Umständen auf viele Schwierigkeiten innerhalb des Kollegiums treffen. Besonders wenn der Schulleiter dieses nicht unterstützt. Hans H. Karg bemängelt an dieser Äußerung Neills, daß Schulleiter staatlicher Schulen anderen Aufgaben nachkommen müssen und nicht die gleiche Autonomie besitzen, die Neill als Schulgründer und -eigentümer innehatte. Sie besitzen rechtliche Verpflichtungen und können andersdenkende Lehrer nicht einfach entlassen (Vgl. Karg 1983, 257). Neill war sich bewußt, daß es keinen Sinn macht, wenn ein einzelner Lehrer eine Art Selbstverwaltung einführt und den Kindern Freiheit gewährt, wenn die anderen Lehrer dieses nicht ebenfalls unterstützen. Die Schüler könnten mit der neuen Situation nicht umgehen und würden sie auf Kosten des Lehrers ausnutzen. Ferner glauben viele Eltern nicht an die Freiheit in der Schule, sondern verstehen sie als einen Ort der Disziplin und des intellektuellen Lernens. Wenn theoretisch alle Lehrer einer Schule dem Ansatz Neills repressionsfreier Erziehung zustimmen würden, müßte eine regelmäßige Schulversammlung eingeführt werden. Das Funktionieren eines solchen Vorhabens hängt jedoch vom Alter der Kinder ab, da besonders Kinder im Grundschulalter noch nicht gemeinschaftsfähig sind (s. Kapitel 5.4.2.1.). Zudem müßten die Konferenzen der Lehrer umorganisiert werden und neben organisatorischen Fragen zusätzlich Raum für pädagogische Diskussionen lassen, was speziell an großen Schulen einen erheblich größeren Zeitaufwand bedeutet, dem vermutlich nicht alle Betroffenen zustimmen würden. Zudem thematisieren die Belange einer Gemeinschaft verstärkt den Bereich außerhalb des Unterrichts, der in einer Tagesschule nicht genug zum Tragen kommt. Zudem würde die Nichteinmischung und Spontaneität einer freiheitlichen Schule schnell durch Lehrpläne und Fächerunterricht eingeengt werden (Vgl. Karg 1983, 256ff.). Es gibt extrem viele Schwierigkeiten, die durch die Einführung solch einer Schule entstehen bzw. dieses im Prinzip unmöglich machen. Die beste Möglichkeit sah Neill in einer kleinen Schule auf dem Land, aber auch hier würde der oder die Gründer vermutlich Neills Ideen in irgendeiner Form ändern, mit der er nicht zufrieden wäre, so daß Summerhill ein Einzelfall geblieben ist und dieses vermutlich auch bleiben wird. Zudem erscheint es trotz bestehenden Möglichkeiten unrealistisch, in der momentanen Situation Summerhills über einen Einfluß auf das staatliche Schulwesen zu diskutieren, da dieses Summerhills größter Gegner ist und immer wieder die Schließung der Schule androht. Die häufige Kritik beruht allerdings meistens auf Mißverständnissen. Ihre Richtigstellung sollte aufgrund des bisherigen Verlaufs dieser Arbeit möglich sein, so daß auf diese hier nicht eingegangen wird. Einige Kritikpunkt sind an dieser Stelle stichwortartig aufgelistet, um die Diskussion um Summerhill und seine Prinzipien zu verdeutlichen. Sie stammen zum größten Teil aus dem Buch "Summerhill: Pro und Contra".
Bernstein befragte 29 Männer und 21 Frauen im damaligen Alter von 16 und 49 Jahren, die als Kinder zwischen 6 und 17 Jahren in Summerhill lebten. Sie gingen zwischen 1924 und 1963 dort zur Schule und waren im Durchschnitt sieben Jahre an diesem Ort. Die Befragung wurde informell durch mehrstündige Gespräche meist im Haus der ehemaligen Schüler durchgeführt und erhebt somit nicht den Anspruch objektiv zu sein (Vgl. 1968b, 38). Demgegenüber steht, daß sieben ehemalige Schüler sagten, daß Summerhill ihnen mehr geschadet als geholfen hat. Diese Sieben waren damals schüchterne Kinder, die dort mit Schwierigkeiten konfrontiert wurden, die sie nicht bewältigen konnten und die sie anders vermutlich nicht erfahren hätten. Durch diese beiden gegensätzlichen Äußerungen entsteht der Eindruck, als würden gesellige, aggressivere Kinder besser von der Freiheit profitieren als die introvertierteren. Die meisten Vorwürfe zielten jedoch auf die mangelnde Qualifikation der Lehrer und auf den zu geringen akademischen Anspruch der Unterrichtsstunden. Diesen bemängelten 26 Schüler. Zusätzlich beklagten einige, daß bei den Auseinandersetzungen der Kinder untereinander nicht eingegriffen wurde. Hier werden einige unterschiedliche Bemerkungen und Meinungen über Summerhill wiedergegeben (1968a, 132f.): "I got the hate out of me, somehow." "Summerhill is good for children up to about the age of ten. After that it`s too weak, academically." "It led me explore amd be curious about all things." "I think one can stay at Summerhill too long." "The freedom was a wonderful thing. it was a good experience for me. but I must say that there were little direction from adults." Sechs befragte Personen verließen die Schule vor ihrem 12. Lebensjahr. Sie waren jeweils mindestens drei Jahre in Summerhill und sprachen sehr positiv über ihre Zeit dort, die sie aus ihrer Sicht gut auf ihr späteres Leben und Lernen vorbereitet hat. Sie waren zwar im Lehrplan nicht so weit wie gleichaltrige Kinder an staatlichen Schulen, holten dieses aber innerhalb eines Jahres auf. 15 der ehemaligen Schüler hatten überhaupt keine Anpassungsprobleme nach ihrer Schulzeit. Sieben von ihnen waren sogar überzeugt, daß Summerhill ihnen die Integration in die Gesellschaft erleichtert hatte. Weitere 15 gaben jedoch an, zumindest teilweise Probleme mit der Anpassung gehabt zu haben. Von diesen 15 waren sieben länger als 10 Jahre in Summerhill. Die restlichen 20 Personen waren sich nicht sicher, ob Summerhill sie hierbei beeinflußt hat oder nicht (Vgl. 1968a, 134). Durch diese Äußerungen entsteht der Eindruck, daß ein langer Aufenthalt in Summerhill sich eher negativ auf die Zukunft der Schüler auswirkt als ein kürzerer (Vgl. 1968a, 127).
14 der befragten Personen waren länger als 10 Jahre in Summerhill. Vier von ihnen hatten anschließend persönliche und berufliche Probleme. Neill sagte, daß die meisten seiner Schüler künstlerische Berufe wählen. Dieser Aussage ging Bernstein nach und kam zu dem Ergebnis, daß weniger als 20% der Befragten solche Berufe ausübten. Tatsächlich wählten sie 'gewöhnliche' Berufe, wie jeder andere auch. Unter ihnen sind zwei Verkäufer, ein Autor, ein Ladenbesitzer, drei Sekretärinnen, ein Zoologe, zwei Lehrer, zwei Fernfahrer, sechs Hausfrauen usw. (s. Anhang VI). Neill selbst war es jedoch gleichgültig, welchen Beruf ehemalige Summerhill-Schüler wählten, solange sie darin glücklich sind. Er sagte, er würde es lieber sehen, daß seine Schule einen glücklichen Straßenkehrer als einen neurotischen Ministerpräsidenten hervorbringt (Vgl. Summerhill School, 1999). Schwierigkeiten treten bei allen Eltern auf, wenn es um Disziplin geht. Sie schlagen ihre Kinder nicht, fühlen sich aber schlecht, wenn sie mit ihnen schimpfen. Drei Elternpaare schickten ihre Kinder nach Summerhill, holten sie aber aufgrund der Unterrichtspraxis und der dürftigen Ausstattung wieder zurück, bevor diese 13 Jahre alt waren. Zwei weitere denken darüber nach, ihre Kinder später nach Summerhill zu schicken (Vgl. 1968a, 129). Befürworter können Neill darin bestätigt sehen, daß Summerhill ein Ort ist, an dem für Kinder die Möglichkeit besteht, glücklich aufzuwachsen und ihren Interessen nachzugehen. Mögliche Versäumnisse hinsichtlich des Lehrplans werden tatsächlich verhältnismäßig schnell aufgeholt. Trotz Summerhills Sonderstellung ist es kein 'weltfremder' Ort und behindert nicht an der Eingliederung in die Gesellschaft und das Berufsleben. 'Summerhillians' zehren auch nach ihrer Schulzeit von ihren dortigen Erfahrungen und geben diese an ihre eigenen Kinder weiter. Auch kritische Stimmen können sich durch einige Äußerungen der ehemaligen Schüler bestätigt sehen. So ist Summerhill anscheinend nicht für jedes Kind geeignet. Speziell introvertierte, ängstliche Kinder hätten sich Unterstützung durch Erwachsene gewünscht. Etwa die Hälfte der Befragten bemängelte die Unterrichtsqualität, woraus der Schluß gezogen werden könnte, daß sie sich im nachhinein gewisse Forderungen und Ansprüche hinsichtlich ihrer Bildung gewünscht hätten. Dadurch hätten eventuelle Integrationsschwierigkeiten in die Gesellschaft, die bei einigen tatsächlich vorhanden waren, eventuell vermieden werden können. Dieses zeigt, daß Bernsteins Studie einerseits einen Erfolg für Neills Anhänger darstellt, aber dennoch nicht so positiv ausfiel, wie die Befürworter es sich vermutlich gewünscht haben. Kritiker werden ihre Vorwürfe teilweise widerlegt sehen, aber durch einige Äußerungen auch Bestätigung finden. Sein wirklicher Einfluß auf das staatliche Schulsystem ist schwer überprüfbar und es besteht weiterer Bedarf an dessen Nachforschung. Er ist nach seinen Einschätzungen jedoch sehr gering. Seine Idee oder Teile daraus sind sehr schwer in die Praxis übertragbar. Aufgrund von Lehrplänen und der gesetzlichen Verpflichtungen von Schulen müßten Neills Prinzipien stark abgewandelt werden, womit er nicht einverstanden wäre. Hinzukommen zahlreiche Vorurteile und Kritikpunkte durch Eltern und Pädagogen, die eine repressionsfreie Erziehung nicht unterstützen. Vorurteile werden einerseits durch Bernsteins Befragung ehemaliger Summerhill-Schüler widerlegt, andererseits werden jedoch auch Mängel und Schwächen aufgedeckt. Somit ist Summerhill ein Einzelfall in der Geschichte der Schulbildung und wird dieses vermutlich auch immer bleiben.
Hausarbeit (1. Staatsprüfung) 1999, Universität Lüneburg: Stefanie Bosselmann: We don't need no education" - Summerhill einst und jetzt. Zurück: (8. Summerhill in Not: Zur gegenwärtigen bildungspolitischen Situation ) Fortsetzung: (10. Thesenartige Zusammenfassung der einzelnen Kapitel)
|