Diplomarbeit von Kerstin Liekenbrock: Selbstregulation, FH Mannheim 2002
Inhalt
         2.3.2. Das Neurosenmodell

         2.3.3. Das Phasenmodell
      2.4. Freuds Grundgedanken zur Erziehung
      2.5. Die erziehungstheoretische Entwicklung und Umsetzung der psychoanalytischen Pädagogik
         2.5.1. Zielsetzung der psychoanalytischen Pädagogik

         2.5.2. Sachliche Erziehung



2.3.3. Das Phasenmodell

In seinem bis heute umstrittenen Phasenmodell fasst Freud seine Erkenntnisse über die Entwicklung der kindlichen Sexualität zusammen.

Er unterschied die frühkindliche Triebentwicklung in verschiedene Phasen: die orale, die anale und die phallische Phase, sowie den Ödipuskomplex. Dabei ging Freud davon aus, dass bei "...bestimmten Altersstufen verschiedene Tätigkeiten und Wünsche des Kindes Ausdruck des Trieblebens sind und von besonderer Bedeutung für die Entwicklung bestimmter Charaktereigenschaften. Je nach Art des "Triebschicksals", d.h. je nachdem, ob eine Frustration, Versagung der Befriedigung im Sinne der Verwöhnung vorliegt, entwickeln sich schon in den ersten Lebensjahren Tendenzen bzw. Bereitschaften für die Entwicklung von Neurosen im Erwachsenenalter und bei angemessener Triebbefriedigung Frustrationstoleranz und Tendenz zur selbstständigen Bewältigung von Umweltanforderungen." (Keller/ Novak 1993: 289)

Die orale Phase erstreckt sich in etwa über das erste Lebensjahr des Kindes. Erogene Zone ist der Mund. Das Saugen an der Mutterbrust bedeutet nicht nur Nahrungsaufnahme, also primäre Bedürfnisbefriedigung durch Stillen des Hungers, sondern ist auch gleichzeitig lustbetont (bereits lange vor der Psychoanalyse bezeichnete man das Saugen der Säuglinge auch als Wonnesaugen). Durch diese Lustbefriedigung entsteht in der oralen Phase eine elementare Beziehung zur Mutter, diese kann als die erste soziale Interaktion angesehen werden. "Die Identifizierung des Säuglings mit dem Objekt der Mutter gehört damit einerseits zu dem ersten Aspekt der Integration der Persönlichkeit in ein soziales System und andererseits dient sie der Herausbildung der Persönlichkeitsstruktur"(Kron 1991: 114). Nach und nach werden diese ersten Triebäußerungen stärker autonom und können auch autoerotisch wie z.B. durch Daumenlutschen befriedigt werden.

Frustrationen in der oralerotischen Phase können die Entstehung des Urvertrauens verhindern oder Ekelgefühle und Störungen bei der Nahrungsaufnahme nach sich ziehen.

Die anale Phase bezieht sich auf das zweite bis dritte Lebensjahr und handelt von der Ausscheidung und der Befriedigung der Aggressionen.

Die Stuhlentleerung ist beim Kleinkind lustbetont, Kot ist quasi das erste Geschenk und ein Teil des kindlichen Ichs. Das Kind hat im Rahmen der Reinlichkeitserziehung die Wahlmöglichkeit seinen Stuhlgang herzugeben oder zurückzuhalten. In diesem Prozeß geht es jedoch um mehr als um die bloße Beherrschung der Ausscheidung. " Das Kind merkt, dass die Mutter, die geliebte Person, um die es sich auch Sorgen macht, von ihm etwas will. Vorgänge des Produktiv-seins, des Hergebens, sich-von-etwas-trennen-Könnens, Macht-Besitzens, Etwas-Leistens sind verbunden mit Enttäuschungen, mit Versagen oder mit Liebesbeweisen und mit Gegensätzen wie schmutzig/sauber, pedantisch/schlampig, zurückhalten/hergeben. Im Unbewussten herrscht ein Haß-Liebe-Konflikt: Die fordernde Mutter wird gehasst und die lustbringende Mutter aus der oralen Phase über alles geliebt." Kinder neigen in dieser Phase vermehrt zu aggressivem Verhalten. Dies hängt damit zusammen, dass sie ihre eigene Autonomie erleben und eine Beziehung zu ihrem Ich entwickeln.

Auch tritt das Kind in dieser Entwicklungsphase vermehrt mit anderen "Objekten" seiner Umwelt in Kontakt. Gemeint sind hierbei nicht nur andere Personen, sondern auch die ganze Palette der verbalen und nonverbalen Kommunikation. Das Kind erlebt sich in seiner Umwelt und bringt sich zusehends ein. Freud nannte diese Entwicklung "Objektbeziehung" (die innere Haltung und das äußere Verhalten des einzelnen gegenüber Personen oder Dingen, die für unser psychisches Leben bedeutsam sind).

In der analen Phase sollte man demnach mit besonderer pädagogischer Sensibilität vorgehen, da Kinder von nun an auch zu Autoaggressionen und zu Schuldgefühlen neigen. Eltern können nun durch diesbezüglich falsches Verhalten wie z.B. Bestrafungen genau diese Aggressionen und Autoaggressionen beim Kind fördern und verstärken. Die sich daraus entwickelnden Hassgefühle verstärken die Angst der Kinder vor ihren eigenen Gefühlen, und um diesen zu entrinnen, besteht die Gefahr, dass sich das Kind in der frühesten Kindheit in Regression flüchtet, oder es provoziert Strafe durch neue "Ungezogenheiten" bzw. wird autoaggressiv.

In der phallischen Phase wendet sich das Kind im Alter von ca. drei bis sechs Jahren seinen Geschlechtsorganen zu. Es entdeckt, dass die Berührung der Genitalien zur Auslösung von Lustgefühlen führt und versucht nun sich selbst zu befriedigen. Bestehende Ängste bezüglich lustvollen Vorgängen können in dieser Entwicklungsphase auf die genitale Lust übertragen werden. Diese Angst vor Strafe beim Empfinden sexueller Lust, zunächst in Form von Phantasien und Masturbation, haben verheerende Auswirkungen auf spätere sexuelle Aktivitäten und Partnerbeziehungen. Bekommt das Kind nicht ausreichend die Möglichkeit diese Phase ungezwungen auszuleben, können zudem innere Konflikte zwischen Liebe und Hass entstehen, verbunden mit starken Schuldgefühlen.

Sigmund Freud wurde in diesem Punkt jedoch heftig angegriffen. Wie bereits das Wort "phallisch" schon ausdrückt, bezog sich Freud ausschließlich auf das männliche Genital. Der weiblichen Sexualität widmete er anfangs noch keine Beachtung, sie blieb noch längere Zeit unbekannt. Aus diesem Grunde wurde er damals besonders von feministischer Seite stark kritisiert. (vgl. Kriz 1989: 39)

Den Ödipuskomplex kann man zeitlich etwa zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr einordnen.

Durch das Erwachen sexueller Wünsche entwickelt das Kind eine intensive sexuelle Bindung dem gegengeschlechtlichen Elternteil gegenüber. Es möchte diesen Elternteil für sich alleine haben und entwickelt eine Rivalität bezüglich des Gleichgeschlechtlichen, mit dessen Rolle es sich jedoch auch identifizieren möchte. Durch dieses sexuelle Begehren entwickelt es auch gleichzeitig Ängste und Schuldgefühle gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elternteil, verbunden mit einer natürlichen Inzesthemmung. Mit der Zeit erkennt das Kind die Erfolglosigkeit seiner Wünsche. Der Druck der Eifersucht bezüglich dem gleich-geschlechtlichen Elternteil, den Schuldgefühlen und Ängsten wird so groß, dass es diese ödipalen und genitalen Wünsche zunächst unterdrückt und verdrängt. Aus dieser Verdrängung leitet sich die überwiegende Anzahl späterer Sexualstörungen ab.

Das Kind lernt in dieser Entwicklungsphase, sich mit Regeln und gesellschaftlichen Normen auseinander zusetzen, es erlebt bewusst das familiäre Zusammenleben und setzt sich mit seiner Stellung zwischen den Eltern auseinander. Es identifiziert sich mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil, mit seiner eigenen Geschlechterrolle, sowie mit der Familie als Kollektiv. Ein Partnerkonflikt der Eltern zum Zeitpunkt der ödipalen Phase, kann außerdem den Grundstein bilden für Störungen in der Entwicklung der Geschlechtsidentität. Aber auch das Fehlen von Widerständen in dieser Phase, kann zu frühkindlichen Ohnmachts- und/oder Allmachtsphantasien bezüglich der Eltern führen. Nicht selten entstehen aus diesem inneren Konflikt Rivalitäten und Aggressionen gegenüber dem gleichgeschlechtlichen Elternteil.

Durch die Bejahung der kindlichen sexuellen Neugierde und ein spontanes, natürliches, rollenspezifisches Verhalten des gleichgeschlechtlichen Elternteils werden dem Kind die Identifikation mit diesem erleichtert, was wiederum zu einer positiven Bewältigung dieser Phase beiträgt.

Zunächst ging Sigmund Freud davon aus, dass Mädchen und Jungen diese Entwicklungsphase gleich durchleben (wobei er der weiblichen Geschlechtsentwicklung wenig Beachtung schenkte und ihr viele männliche Attribute überstülpte), später korrigierte er diese Meinung und differenzierte zwischen den Geschlechtern.(vgl. Hagera 1989: 152)

2.4. Freuds Grundgedanken zur Erziehung

Sigmund Freud verdanken wir das Basiswissen, welches das Fundament bildet für die psychoanalytische Pädagogik. Er selbst arbeitete als Arzt, Psychotherapeut und Lehrer und beschäftigte sich daher sekundär mit Erziehungsfragen. Diverse Schüler Freuds (siehe Punkt 2.1.) griffen seine Thesen auf und zogen daraus Konsequenzen, welche die Basis bilden für die weitere Entwicklung und Methodik dieses Erziehungstheorems.

Zunächst möchte ich kurz auf das Menschenbild Freuds eingehen, denn die Sicht des Menschen beeinflusst unmittelbar den Umgang mit ihm.

Freud hatte eine mechanistisch-materialistische Auffassung, d.h. der Mensch ist berechenbar, da er durch chemische Vorgänge (Gefühle, Affekte ect.) angetrieben wird. Das bedeutet, dass Emotionen unter den gleichen Umständen reproduzierbar sind. Man könnte, aus seiner Sicht heraus, den Menschen durchaus mit einem Ottomotor oder einer Dampfmaschine vergleichen, wobei dies natürlich am Menschen in seiner unübersehbaren Fülle möglicher Aspekte vorbeizielt.(vgl. Wyss 1991: 350)

Im Säugling sah Freud ein Wesen zwischen den Welten, er wurde eher im esoterischen Bereich angesiedelt. Freuds Annahme war, dass der Säugling in einer, dem Autismus ähnlichen, halluzinatorischen Phantasiewelt lebe und ausschließlich nach dem Es, seinen Trieben reagiert. Er ging davon aus, "gemäß des Lust-Unlust-Prinzips, dass das Neugeborene so lange zufrieden schläft, bis physiologischer Hunger, psychisch als oraler Trieb repräsentiert, über einen Schwellenwert hinaus ansteigt. Das Kind wird erregt, es schreit (was eine energetische Abfuhr darstellt), und dann erhält es die Nahrung, die notwendig ist, um die Ursache der Spannung zu überwinden. Nachdem das Kind die Lust des Spannungsabbaus erlebt hat, kehrt es in den Schlafzustand zurück" (Lichtenberg, 1991: 4)

Eine Wahrnehmungs- und Unterscheidungsfähigkeit sowie Interaktionsbereitschaft wurden dem Säugling von Freud abgesprochen.

Sigmund Freud konzentrierte sich in seinen Forschungen auf das Alter ab der analen Phase. Er erkannte durch seine psychoanalytischen Studien, dass die Wurzeln vieler seelischer Erkrankungen die Verdrängung psychischer Konflikte aus dieser Phase der Kindheit waren. Die ursprünglichen spontanen Triebbedürfnisse waren bei Patienten in Konflikt mit der triebversagenden Umwelt geraten und durch einen innerpsychischen Mechanismus ins Unbewusste verdrängt worden. Im Unbewussten wühlten diese verdrängten Bedürfnisse (und die sie antreibenden Energien) weiter und suchten sich, unter Umgehung der bewussten Kontrolle der jeweiligen Person, andere Ventile der Entladung z.B. in Form von neurotischen Zwangssymptomen oder psychosomatischen Erkrankungen.

Bereits 1905 gab Freud in seiner Abhandlung über die "infantile Sexualität" den Anstoß für eine Neubewertung, welche Rolle die Sexualität in der Entwicklung des Kindes spielt. Er korrigierte darin auch die Jahrhunderte überdauernde Annahme von dem "asexuellen Kind" und seiner reinen "Unschuld". Zusammenfassend lassen sich seine Theorien in drei Thesen aufgliedern:

  1. Sexuelle Energie entwickelt sich nicht erst in der Pubertät, sie ist vielmehr eine fundamentale Kraft, die von Geburt an feststellbar und wirksam ist.

  2. Die Kanalisierung dieser libidinösen Energie ist im wesentlichen ein sozialer und kein instinktiver Vorgang, d.h., dass bestimmte sexuelle Formen der Befriedigung und sexuelle Objekte erlernt werden.

  3. Typisch für den Ablauf der psycho-sexuellen Entwicklung des Kindes ist das stufenweise Fortschreiten durch eine Reihe bestimmter Entwicklungsphasen. Eine Entwicklung zur reifen Sexualität ist demnach das Resultat eines geglückten Durchlaufens und Ablösens dieser einzelnen prägenitalen Entwicklungsformen (orale, anale, phallische und ödipale Phase)

Freud definierte Neurosen als "das Ergebnis unvollständiger funktionell-nervöser Verdrängungen von Impulsen aus dem Es durch das Ich. Neurosen sind demnach Ausdruck einer "Entwicklungshemmung der Libido" (Horney/ Ruppert 1970: 670). Diese Erkenntnisse, dass die Unterdrückung der Sexualität zu seelischen Krankheiten führt, erkannte Freud in den früheren Perioden seines Schaffens (später wandelte er denselben Grundsatz auf den Todestrieb an). Einige Jahre später vertrat er jedoch die Meinung, dass die Verzögerung der Sexualentwicklung und Sexualbetätigung sowie die Versagung des Sexualtriebs für die Erziehung und zugunsten kultureller Gewinne notwendig seien. Er vertrat den kulturphilosophischen Standpunkt, dass die Kultur ihr Entstehen der Triebunterdrückung bzw. dem Triebverzicht verdanke. Solche Versagungen bedürfen jedoch immer des Ausgleichs durch positive Lusterlebnisse, Sublimierungen. In diesem Zusammenhang betonte S. Freud die Bedeutung der positive Bindung des Kindes zu seinem Erziehenden, welche die Voraussetzung darstellt, um ihm zuliebe Versagungen zu ertragen, ohne allzu starke Hassgefühle zu entwickeln.

Durch die Erziehungsmittel des Versagens und Gewährens wollte Freud das Realitätsprinzip bei möglichst geringer Einschränkung der Lust erreichen.

"Das Kind soll Triebbeherrschung lernen. Ihm die Freiheit zu geben, dass es uneingeschränkt allen seinen Impulsen folgt, ist unmöglich (...) Die Erziehung muss also hemmen, verbieten, unterdrücken und hat dies zu allen Zeiten reichlich besorgt. Aber aus der Analyse haben wir erfahren, dass diese Triebunterdrückung die Gefahr der neurotischen Erkrankungen mit sich bringt....Die Erziehung hat also ihren Weg zu suchen zwischen der Scylla des Gewährenlassens und der Charybdis des Versagens. Wenn die Aufgabe nicht überhaupt unlösbar ist, muss ein Optimum für die Erziehung aufzufinden sein, wie sie am meisten leisten und am wenigsten schaden kann." (S. Freud, 1933: zit. nach Trescher 1990: 17 )

Darüber hinaus warnte Freud vor unkritischen Übertragungen der Psychoanalyse auf die Erziehung. Er vertrat die Meinung, Erziehung dürfte nicht mit psychoanalytischer Behandlung gleichgesetzt werden; diese könne höchstens als Hilfsmittel herangezogen werden.

2.5. Die erziehungstheoretische Entwicklung und Umsetzung der psychoanalytischen Pädagogik

2.5.1. Zielsetzung der psychoanalytischen Pädagogik

"Was Eltern, Lehrer und Erzieher von der Psychoanalyse erwarten, ist ein geschlossenes System von Regeln und Vorschriften. Was die Analytiker zu bieten haben, sind Meinungen, Warnungen, Einsichten, bestenfalls Ratschläge" (Anna Freud 1968, zit. von Keller/ Novak 1993: 287)

Die psychoanalytische Pädagogik kritisierte die damaligen Erziehungsformen. Das zentrale Thema war der Konflikt des kindlichen Triebwunsches, welcher im Widerspruch steht zu dem versagenden Realitätsprinzip.

Sandor Ferenczi und Otto Gross vertraten auf jenem Kongress 1908 (vergl. Punkt 2.2) wesentlich entschiedener als Freud selber die Auffassung, dass von jeder "missglückten" Verdrängung im Grunde jeder, also auch der symptomfreie "Normale" betroffen sei. Weiter warnten sie, dass die bei jedem Menschen vorhandenen verdrängten und dadurch unbewussten Impulse zu einem gefährlichen Komplex antisozialer Instinkte werden, welche nur mit einem hohen Aufwand, und durch das automatische Wirken gewaltiger Schutzvorrichtungen unterdrückt werden können, d.h. mit moralischen, religiösen und sozialen Dogmen. Diese bestehende, auf jenen Dogmen basierende Ordnung, welche seit undenklichen Zeiten immer wieder die selben "Seelenqualen" der Kinder reproduziert, stellten sie nun grundsätzlich in Frage.

Es entstand eine Vision eines "neuen", wirklich freien, autonomen, selbstbestimmten d.h. psychisch "gesunden" Menschen, welcher nur durch einen radikalen Umsturz in der Pädagogik in den Bereich des möglichen rückte (Freud selber hielt hingegen wenig von diesen Konsequenzen seiner Lehre).

Die Psychoanalytische Pädagogik wollte demnach eine positivere, humanere Erziehung, welche auf ihr entsprechendes gesellschaftliches Ideal ausgerichtet war (dieses wurde dann auch gleichgesetzt mit ihrem Gesundheitskriterium).

Zur Umsetzung dieses Erziehungszieles versuchten sie zunächst, ein gewisses Hinter-grundsverständnis und Einsicht für die Schwierigkeiten der Kinder in den jeweiligen Entwicklungsphasen dem Erzieher nahe zu bringen und an das Verständnis zu appellieren.

Die psychoanalytische Pädagogik kann als eine Hilfs- und Grundlagenwissenschaft gesehen werden. Das primäre Erziehungsziel war die Neurosenprophylaxe.

Weitere Erziehungsziele wurden nicht eindeutig definiert, sondern eher grob umrissen. Die eigentliche Methode, das Verfahren zur praktischen Umsetzung, wurde verhältnismäßig wenig erarbeitet.

Als Erziehungsmittel kamen weiterhin nur das Gewähren lassen und Versagen in Frage. Weitere erzieherische Grundsätze der psychoanalytischen Pädagogik sind:

  1. Die Entwicklung eines starken Ichs sollte unter Vermeidung des Aufbaus eines zu strengen Über-Ichs gefördert werden.

  2. Extreme Erziehungsstile, wie Verwöhnung oder Frustration, sind der kindlichen Persön-lichkeitsentwicklung abträglich.

  3. Der Bedeutung und Wirkung von individuellen Abwehrmechanismen sollte Rechnung getragen werden.

  4. Bei Erziehern und Lehrern sollte Selbstkontrolle und Selbstkritik herangebildet werden, um Kränkungs-, Aggressivitäts- und Schuldgefühlen entgegen zu wirken, die durch Lern-widerstände bei den Schülern entstehen können." ( Meyers Kleines Lexikon Pädagogik 1988: 317f.)

Eine Neurosenprophylaxe versuchte man durch das Herabsetzen von Angsterlebnissen und durch möglichst geringe Einschränkung des Lustprinzips zu realisieren.

Durch die Tatsache, dass sich die Psychoanalytische Pädagogik als Grundlagenwissenschaft versteht, ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich bereits in den Ansätzen zur Entwicklung der Methodik unter den einzelnen Freud-Schülern Basis-Differenzen aufbauten. Daraus entwickelten sich bis heute eine Vielzahl von verschiedenen Erziehungskonzepten.

Mittlerweile haben sich viele Erkenntnisse, Forderungen und Zielsetzungen der anfänglichen psychoanalytischen Pädagogik etabliert und sind fester Bestandteil der heutigen Erziehung geworden. Auch die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen der Psychoanalyse (besonders in der Säuglingsforschung, aber auch in der NLP) bilden wiederum die Grundlage zur Weiterentwicklung der modernen Pädagogik.



Diplomarbeit von Kerstin Liekenbrock: Selbstregulation, FH Mannheim 2002
Inhalt
         2.3.2. Das Neurosenmodell

         2.3.3. Das Phasenmodell
      2.4. Freuds Grundgedanken zur Erziehung
      2.5. Die erziehungstheoretische Entwicklung und Umsetzung der psychoanalytischen Pädagogik
         2.5.1. Zielsetzung der psychoanalytischen Pädagogik

         2.5.2. Sachliche Erziehung