Diss: Axel Kühn: Alexander Neill
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     (& Wilson 1985(?))
     (& Walmsley 1969)

Fortsetzung (& "Die grüne Wolke" und...)



& SEGEFJORD 1968

Der dänische Lehrer Bjarne Segefjord verbrachte im Herbst 1966 sechs Wochen in Summerhill und dokumentierte seinen Aufenthalt in einem Tagebuch. Er trifft zu Anfang seines Berichts bei der Feier des 83. Geburtstag Neills viele ehemalige Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonal und sammelt erste Eindrücke. Im Verlauf seines Aufenthalts unterhält er sich mit den Kindern und nimmt am Schulalltag teil. Er widmet sich insbesondere einem kleinen norwegischen Jungen namens Lars, der erst neu an der Schule ist und wenig Englisch versteht. Offenbar verwendet Bjarne SEGEFJORD ein Tonbandgerät und zeichnet Gespräche mit Neill auf, die er anschließend in seinem Tagebuch wiedergibt. Das Buch bildet den Eindruck eines Außenstehenden ab, der Mitte der sechziger Jahre (eine Woche nach dem Benefizkonzert von Joan Baez) Summerhill besucht, als zunehmend ausländische Schülerinnen und Schüler (vornehmlich amerikanische) an die Schule kommen.

Themenschwerpunkt in dem Text ist vor allem die Auseinandersetzung mit dem Schulalltag. Die Praxis wird geschildert und Widerspräche, die zum Beispiel aus Neills Personalrekrutierungspolitik erwachsen, kommen zur Sprache [S.64ff, 70f].



Im November 1968 löste ein Brief Neills in der Erziehungsbeilage der "Times" eine mehrwöchige Auseinandersetzung aus. In den folgenden Ausgaben wurden jeweils unter der Überschrift "Human Psychology" verschiedene Briefe abgedruckt, die Stellung nahmen zu Neills Behauptung, in England orientiere sich die psychologischen Ausbildung der Studentinnen und Studenten ausschließlich am Verhalten von Ratten. Die Professoren antworteten, daß es an den Colleges durchaus üblich sei, Fallstudien mit Kindern durchzuführen [vgl. HEARNSHAW in: TES 15.11.1968, vgl. auch MURREL in: TES 22.11.1968, sowie SETH ebd.]. Andere, darunter Collegelehrer, pflichteten Neill jedoch bei, und einer stellte in diesem Zusammenhang die Frage, warum die Forschungen Jean Piagets in England nicht beachtet würden [vgl. PETRI in: TES 15.11.1968, S.1097]. Daß Äußerungen Neills ein so starkes Echo fanden, kann als Gradmesser seiner Bekanntheit in jenen Jahren dienen.

Trotz oder gerade wegen seines hohen Alters war die Meinung des streitbaren Greises von hoher Bedeutung. Neills publizistischer Eifer sorgte in den späten sechziger Jahren für eine Flut von Artikeln über ihn und Summerhill. Im Dezember 1968 unternahm Neill im Alter von 85 Jahren seine dritte Reise in die USA. Diesmal hatte er weniger Schwierigkeiten, ein Visum zu bekommen, als 1950. Lediglich der Umstand, daß er die damaligen Schwierigkeiten erwähnte, verlängerte die Prozedur um einige Stunden [vgl. NEILL 1972, S.258; vgl. auch Kruytbosch in: FOST-Journal, Issue 8 (1993), S.21]. Er hielt Vorträge, machte Besuche in und um New York und - der eigentliche Anlaß der Reise - nahm an einer "Johnny Carson-Fernsehshow" des Fernsehsenders NBC teil [vgl. NEILL in: CROALL 1983a, S.209; vgl. auch CROALL 1983b, S.362; NEILL 1972, S.257f]. Dazu eingeladen hatte ihn Orson Bean, ein amerikanischer Schauspieler, der selbst eine progressive Schule nach dem Vorbild Summerhills in New York gegründet hatte (Fifteenth Street School) [vgl. CROALL 1983b, S.355f; vgl. auch KRUYTBOSCH in: FOST-Jounal, Issue 8, 1993, S.20f]; Neill besuchte die Schule während seines Aufenthalts. Bean war Moderator der Show und sagte nach den Aufnahmen über seinen fünfundachtzigjährigen Gesprächspartner: "He was the best guest the Tonight Show ever had." [vgl. BEAN zitiert in: CROALL 1983b, S.362] Dieser Fernsehauftritt diente der Engländerin Kara WILSON 1985 als Grundlage für ein Drehbuch zu einem Kinofilm über Alexander Neill. Als Hauptdarsteller des Filmes war der Schotte Sean Connery vorgesehen, der nach Durchsicht des Manuskripts auch seine generelle Bereitschaft zur Übernahme dieser Rolle bekundete. Leider wurde das Projekt nicht realisiert, weil sich keine Filmproduktionsfirma zur Übernahme des finanziellen Risikos bereit erklärte [Gespräch mit Jonathan Croall im September 1994].

& WILSON, Kara o.J.[28] (wahrscheinlich 1985)

In einem Drehbuch für einen Kinofilm beschreibt Kara WILSON die Umstände um Alexander Neills Auftritt in der Orson Bean-TV-Show 1968 als 85-jähriger.

Die nur in ihren Grundzügen auf reale Geschehnisse zurückgehende Geschichte wird eingeleitet von der Beschreibung eines Summerhill-Besuchs einer amerikanischen Journalistin, die Neill zur Teilnahme an der Fernseh-Show überreden soll. Es werden Szenen geschildert, in denen Neill beispielsweise einem kleinen Jungen stets dann einen Shilling gibt, wenn er in die Hose macht, und ihn auf diese Weise davon "kuriert". Neill wird in hohem Alter gezeigt und die geschilderten Szenen gewinnen einen hohen Grad an Authentizität, als z.B. Neills alter Hund Bisquit stirbt, während sie einen Jungen begleiten, der nach Hause abhauen will oder Neill Anekdoten aus der Zeit erzählt, als Ihm sowohl die USA als auch die UdSSR das Einreisevisum versagten. Von Schulinspektionen wird berichtet, die eine Schließung der Schule androhen, und eine turbulente Schulversammlung wird geschildert. Schließlich bildet die Fernsehshow den Abschluß des Films. In ihr beschreibt Neill die Prinzipien Summerhills: "If a child doesnıt want to study Maths, thatıs his business. If he wants to play the trumpet all night long and keep us all awake, thatıs our business. He is allowed to do anything he likes as long as it doesnıt impinge on anyone elseıs freedom." [WILSON o.J., S.102]. Neill führt in der Show eine erregte Diskussion mit dem konservativen Politiker Foley, dem er mit seinen pointierten Argumenten weit überlegen ist: "Foley: [...] What about teaching them what is right and wrong? Neill: Do you know? Foley: Pardon me? Neill: Do you know what is right and wrong? Foley: Of course I do. Neill: And yet, your ideas of what is right and wrong may not coincide with mine .. in fact fairly obviously do not." [WILSON o.J., S.110] Die Themenschwerpunkte der Geschichte kreisen also um den demokratischen Schulalltag, den Umgang Neills mit einzelnen Problemkindern und die alternde und doch tatkräftige und schlagfertige Person Neills.

Kara WILSONS Drehbuch zeichnet sich durch hohe Detailtreue aus und beschreibt die Realität Summerhills aus der Perspektive Neills. Das Drehbuch zu dem Film war möglicherweise etwas zu realistisch ("regnerische englische Landschaft") und authentisch angelegt, denn obwohl der renommierte schottische Schauspieler Sean Connery seine Bereitschaft signalisiert hatte, die Rolle des Neill zu spielen, war keine Produktionsfirma bereit, den Film zu realisieren.



& WALMSLEY 1969

Ähnlich wie SNITZER 1964 hat John WALMSLEY 1969 in England eine Sammlung von Fotografien vorgelegt, in die kurze Texte eingeflochten sind. Die Bilder zeigen den Alltag der Schule - spielende Kinder, Stilleben aus kaputten Fahrrädern und Unterrichtssituationen vorwiegend in den Werkräumen. Bei den Texten handelt es sich um sehr kurze Statements unterschiedlicher Autorinnen und Autoren. Diese sind auf den ersten Seiten des Buches mit ihrer Funktion aufgelistet: Es handelt sich um ehemals und damals an der Schule angestelltes Personal, Schülerinnen und Schüler, Leiterinnen und Leiter anderer Reformschulen und Persönlichkeiten wie Ilse Ollendorf-Reich, deren Sohn Peter und die Autorin Willa MUIR. Die Texte bestehen aus lobenden Worten über Neills Handeln und den Gegebenheiten der Schule. Kleine Anekdoten werden geschildert, in denen Neill seine Schlagfertigkeit unter Beweis stellt, und der Charakter der Kinder Summerhills als Produkt des Erziehungskonzepts wird gelobt.



Neill versuchte, den Verlag Gollancz zu bewegen, sein 1938 zuerst veröffentlichtes Buch The Last Man Alive erneut zu publizieren[29]. Ein Jahr später erschien es in den Vereinigten Staaten bei Harold HART und wurde in hohen Stückzahlen verkauft [vgl. NEILL in: CROALL 1983a, S.162, 164ff]. Die größten Verkaufserfolge wurden jedoch mit der 1971 erscheinenden deutschen Ausgabe (unter dem Titel: Die grüne Wolke) erzielt [vgl. NEILL in: CROALL 1983a, S.213], zu der F.K. Waechter die Illustrationen anfertigte.[30]



Fußnoten:

[28] Diese "nicht publizierte Veröffentlichung" wird an dieser Stelle beschrieben, da sie thematisch diesen Lebensereignissen Neills zuzuordnen ist, jedoch keine Angaben zum Entstehungsjahr vorliegen.

[29] Erstaunlicherweise ist das Buch auch im Internet inklusive Illustrationen sowohl aus der Erstausgabe (von der Summerhill-Schülerin Sonia Araquistain) als auch denen von F. K. WAECHTER Kapitelweise einsehbar [vgl. http://members.tripod.com/thelastmanalive/preface.html (Zugriff am 29.03.2002 13:03 Uhr]

[30] Waechter hatte im Jahr davor sein Bilderbuch Der Anti-Struwwelpeter veröffentlicht, das unmittelbar der "antiautoritären" Kinderladenbewegung zuzuordnen ist [vgl. Waechter 1970, keine Seitenzöhlung; Interessant ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Episode: "Die Geschichte vom Friederich"].



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