Noch Anfang der sechziger Jahre hatte Neill an einer Blockade der Zufahrt zu den Stellungen von Polaris-Raketen in Holy Loch in seiner schottischen Heimat teilgenommen. Gegen fünf Uhr morgens wurde er zusammen mit den übrigen Demonstranten festgenommen und mußte die folgenden 24 Stunden in Polizeigewahrsam verbringen [vgl. CROALL 1983b, S.384f; vgl. auch HEMMINGS 1972, S.156f; sowie NEILL in: CROALL 1983a, S.228ff]. Nach dieser Episode beschloß Neill, nicht wieder an derartigen Aktionen teilzunehmen; er befürwortete den Widerstand, weil er seit den frühen fünfziger Jahren in weltpolitischer Hinsicht einen immer tieferen Pessimismus entwickelt hatte [vgl. NEILL in CROALL 1983a, S.224], konnte und wollte aber in seinem hohen Alter keine Gefängnisstrafen mehr auf sich nehmen, die unweigerlich Folge einer weiteren Festnahme gewesen wären [vgl. NEILL in: CROALL 1983a, S.229; vgl. auch ebd., S.138f].
Am zehnten Mai 1966 gab die Erziehungsbeilage der "Times" bekannt, daß Mr. A.S. Neill schließlich in die Ränge des Establishments aufgenommen werde, wenn ihm am folgenden Tag die Universität Newcastle die Würde des Ehrendoktors verleihe [vgl. Honour for a rebel in: TES 10.05.1966, S.15; vgl. auch: Dynamic Headmastership in TES 13.05.1966, s.1489; sowie CROALL 1983b, S. 378; und NEILL in: CROALL 1083a, S.206f]. Dies war die erste von drei Ehrendoktorwürden, die Neill bekam. Die Feierlichkeiten genoß Neill außerordentlich: "I had a glorious time in Newcastle [...] only my halo didn't fit very well." [Neill in CROALL 1983a, S.207]
& Freedom not License! 1966 / & Talking of Summerhill 1967
Im gleichen Jahr arbeitete Neill an Talking of Summerhill (auf Deutsch: Das Prinzip Summerhill. Fragen und Antworten), dem Nachfolgebuch zu dem von Harold Hart herausgegebenen Summerhill-Band. Es erschien 1967 in England. Neill bemühte sich, insbesondere die Aspekte zu behandeln, die seiner Meinung nach in dem Erfolgsbuch Summerhill zu kurz gekommen waren. Andere Aspekte, die in dem von Harold Hart zusammengestellten Buch zuviel Gewicht gewonnen hatten, wurden nun auf ein angemessenes Maß reduziert. Methodisch ging er so vor, daß er häufig gestellte Fragen - vornehmlich aus seiner amerikanischen "Fanpost" [vgl. CROALL 1983b, S.357] - beantwortete. Damit wurde das Buch zu einer Art Erziehungsberater, in dem Eltern und Erzieher bestimmte Themen nachschlagen konnten. Neills amerikanischer Verleger Harold Hart hatte eine recht willkürliche Auswahl an Texten aus Neills Originalmanuskript getroffen, die er bereits 1966 unter dem Titel Freedom not License veröffentlichte. "I had sent him the full MS of Talking and expected him to use most of it [...]. He used about 3% I fancy. Sad that US can't get the better book. I feel ashamed of F not L, and when Hart wrote me the other day sayin he was printing another 14,000 I felt bloody awful about it" [NEILL in: CROALL 1983a, S.160 (Hervorhebungen im Original)], schrieb Neill einem ehemaligen Schüler.[26]
1967 erschien eine Studie Emmanuel Bernsteins über Summerhill Absolventen [vgl. BERNSTEIN in: The New Era, 48(1967), S.30f; vgl. auch ders. in: Psychology Today Okt./1968, S.38-41, 70; sowie ders. in: Journal of Humanistic Psychology 8. no.2 1968, S.123-136; zu Summerhill-Schulkarrieren vgl. auch: BÖNNINGHAUSEN/DREISBACH-OLSEN 1973, S.23ff sowie ZELLINGER 1996]. Neill hatte bereits 1965 - als Bernstein seine Befragungen bei in London lebenden ehemaligen Schülerinnen und Schüler anstellte - von der Untersuchung erfahren, und er konterte noch vor Erscheinen des Berichts, daß es sich bei den Problemfällen stets um Kinder aus problematischen Familien gehandelt habe [vgl. NEILL in: Id-Magazine 10/1965, H.15]. Dabei war das veröffentlichte Ergebnis recht positiv für Summerhill. Sowohl die Kinder, die nach ihrem Aufenthalt in Summerhill andere Schulen besuchten, als auch die älteren Befragten, die einen Beruf ausübten, hatten überdurchschnittlichen Erfolg und waren bis auf wenige Ausnahmen mit der Erziehung in Summerhill zufrieden.
[26] Bis 1994 wurden in Deutschland von diesem Buch 214.000 Exemplare verkauft [Wolfgang MÜLLER (Rowohlt-Verlag) in einem Brief an Peter LUDWIG 07.1994].