Diss: Axel Kühn: Alexander Neill
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Fortsetzung (& Neill, Neill, Orange Peel 1960)



& The Problem Family 1949

1949 erschien schließlich The Problem Family. Neben den - wie Neill selbst zugab [vgl. NEILL 1949, S.123, 144, 155] - inkompetenten Reich-Interpretationen enthielt dieses Buch wieder vermehrt Hinweise auf Homer Lane und seine Erziehungspraxis aus dem Jahr 1917 im "Little Commonwealth" [vgl. NEILL 1949, S.126ff (12, 52, 66, 75, 102, 106, 137f, 144. 145, 155, 156]. Neill macht sich und den Lesern des Buches an mehreren Stellen bewußt, daß er eigentlich kein Theoretiker ist: "I am no thinker, no philosopher; I do hard work with children, doing mostly the right thing without thinking out the reason behind my action, working by intuition ... whatever that may mean." [NEILL 1949, S.152; vgl. auch ebd., S.51, 124]

Wilhelm Reich bot Neill an, die Schule doch in die USA zu verlegen, um sie seinem Forschungszentrum "Orgonon" anzugliedern [vgl. CROALL 1983b, S.317f; vgl. auch NEILL in: CROALL 1983a, S.57; sowie OLLENDORF-REICH 1969, S.132]. Neill lehnte dankend ab und sprach Jahre später über seine Beweggründe in einer deutschen Wochenzeitung: "Als Wilhelm Reich mir nach dem zweiten Weltkrieg vorschlug, mit meiner Schule nach Amerika zu kommen, sagte ich: ’Nein, Reich. Einmal habe ich meine Schule schon im Ausland gehabt und ich werde das nie noch einmal machenŒ." [NEILL in: Die Zeit 07.08.1970, S.14] Angesichts dessen, daß Neill seine Zeit in Deutschland im gleichen Artikel als "aufregendste Zeit meines Lebens" (NEILL 1972, S.146) bezeichnet hatte, wirkt diese Erklärung nicht recht plausibel. Viel eher mag es die zu erwartende Konkurrenz mit seinem Freund Reich gewesen sein, die ihn von einer Angliederung Summerhills an dessen Forschungszentrum abhielt. ähnliche Angebote hatte Neill zur gleichen Zeit aus Dänemark [vgl. NEILL in: PLACZEK 1981, S.387] und Australien [vgl. NEILL in: CROALL 1983a, S.58] bekommen. Er schlug sie allesamt aus.

Bereits 1950 wollte Neill erneut zu Wilhelm Reich in die USA reisen und suchte beim amerikanischen Konsulat in London um ein Visum nach. Dieses Visum wurde ihm ohne Nennung eines Grundes verweigert [vgl. CROALL 1983b, S.318f; vgl. auch NEILL 1972, S.257; sowie NEILL in: CROALL 1983a, S.138]. Verbittert schrieb er an Reich: "Unsere Enttäuschung [ist] gewaltig." [NEILL in: PLACZEK 1981, S.402] Erst im Laufe der Zeit und nach wiederholter Nachfrage stellte sich heraus, daß es Neills mit dem Sozialismus sympathisierende Haltung war, die zur Verweigerung eines Visums geführt hatte. Tatsächlich hatte Neill bereits 1917 in seinem zweiten Buch A Dominie Dismissed geschrieben: "I, a Socialist, [...]" [NEILL 1917, S.488]. Die amerikanischen Behörden bezogen sich aber vermutlich auf die weniger weit zurückliegenden Veröffentlichungen Neills, in denen er häufig seine Sympathie für die russische Oktoberrevolution und sozialistische Erziehungsexperimente kundtat [vgl. NEILL 1949, S.47, 122]. ("Personally I want to have Socialism, and at the same time fear its application by men and women who are anti-sex" [NEILL 1949, S.122; vgl. auch NEILL in: BLEWITT 1934, S.121]). Diese Position war nicht frei von romantisierenden Idealvorstellungen wie sie Neill aus der Lektüre von Tolstois Aufsatz über dessen Schule im vorrevolutionären Jasnaja Poljana hätte bilden können [vgl. TOLSTOI 1960, S.64ff; vgl. auch STEPHENS in: Trafik 7(1987), S.6; ders. in: Trafik 8(1988), S.31]: "In the years following the October Revolution Russian education was free; children could choose to learn or play; they had self-government in their schools." [NEILL 1953, S.119] Tatsächlich hatte Neill vermutlich nur grobe Kenntnisse der Schriften russischer Erzieher und Literaten [vgl. NEILL 1917, S.569] und häufig hatte er die ihm bekannte Erziehungswirklichkeit der UdSSR angegriffen [vgl. NEILL 1949, S.105; vgl. auch NEILL in: Apropos, H.2 1944?, S.4]. Er intensivierte in den folgenden Jahren seine Kritik an der Erziehung in der Sowjetunion [vgl. NEILL 1953, S.104; vgl. auch NEILL in: TES 26.07.1957, S.1053; sowie NEILL 1967, S.57], was er auch jeweils stolz an Reich weitermeldete [vgl. NEILL in: PLACZEK 1981, S.505, (347)]. In seinem nächsten Buch relativierte er seine Position in einem Sonderkapitel zur kommunistischen Erziehung [vgl. NEILL 1953, S.119ff]. 1937 hatte auch die UdSSR Neill das Visum versagt. Er schrieb später: "Ich bin vielleicht der einzige Mann, dem sowohl von Amerika wie von Rußland ein Visum verweigert wurde." [NEILL 1967, S.138; vgl. auch NEILL 1972, S.255, 260]

In finanzieller Hinsicht war das Nichtzustandekommen der Reise eher positiv zu bewerten. Aus Mangel an Interesse war es nicht zu Vortragsvereinbarungen mit amerikanischen Veranstaltern gekommen [vgl. CROALL 1983b, S.349], und die Reise hätte - anders als die ersten beiden USA-Reisen Neills, die sich noch durch die Einkünfte aus Vorträgen und Seminaren selbst getragen hatten - hohe Kosten verursacht, die die Schule stark belastet hätten. Neill hatte in den letzten Jahren immer mehr Geld aus seinen privaten Rücklagen in die Schule gesteckt, wenn sie sich nicht selber tragen konnte, weil einzelne Eltern die Gebühren für ihre Kinder nicht zahlen wollten. 1950 schließlich gründeten die Eltern ein Komitee, das die Finanzen der Schule verwaltete. Dieses Komitee sorgte dafür, daß alle pünktlich die Gebühren bezahlten, und allein dadurch konnte sich Summerhill finanziell halten [vgl. CROALL 1983b, S.342].



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