Diss: Axel Kühn: Alexander Neill
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& Hirschfeld 1987

Die vergleichende Studie von Harald Hirschfeld sollte im 200. Todesjahr Rousseaus erscheinen. Dieses Ziel konnte aufgrund der schweren Erkrankung und dem folgenden Tod Hirschfelds nicht realisiert werden. Seine Witwe hat die Arbeit geraume Zeit später schließlich veröffentlicht. So kann nicht mehr recht nachgezeichnet werden, ob Harald Hirschfeld die Möglichkeit gehabt hat, z.B. Jonathan CROALLS Standardwerk zu lesen oder zumindest die Doktorarbeit Hans Hartmut KARGS. In Hirschfelds Literaturliste werden Werke über Neill auf alle Fälle höchst spärlich aufgeführt.

Harald Hirschfeld definiert zunächst Übereinstimmungen und Unterschiede in den pädagogischen Konzeptionen Neills und Rousseaus. (Abschließend zweifelt er an, daß bei Neills Vorstellungen überhaupt von einer Konzeption die Rede sein könnte [S.370].) Anschließend wendet er sich "Freiheit als zentralem Aspekt des pädagogisch Feldes" zu und handelt die "Situation und das Wirken des Erziehers" ab. Schließlich stellt Hirschfeld fest, daß Neill und Rousseau eigentlich nicht vergleichbar sind: "Die wesentlichen Differenzen zwischen Rousseau und Neill beginnen demnach in einer fundamentalen Schicht. Das macht sie genaugenommen auch in allem folgenden unvergleichlich." [S. 375].

Harald Hirschfeld gesteht in seiner Arbeit von vorn herein ein, daß er die in den frühen siebziger Jahren geradezu hysterische Begeisterung für Neill nicht teilt, dessen Werk "augenscheinlich überhaupt erst durch das Echo in der pädagogisch dilettierenden Öffentlichkeit und durchaus nicht schon an sich selber die Aufmerksamkeit der Fachkundigen erregte" [S.8], und diese kritisch ablehnende Haltung durchzieht die Arbeit.

Die "Autopsie zweier pädagogischer Ideale" - so der Untertitel der Arbeit von Harald Hirschfeld - diagnostiziert gewissermaßen den partiellen Tod ihres Forschungsgegenstands. Es ist dem Autor nicht recht gelungen, festzustellen, warum der Geist seiner pädagogischen Leichname fortlebt. Er konstatiert lediglich, daß es sich um zwei unterschiedliche Geisteshaltungen handelt.

& SCHMIDT-HERRMANN 1988

In ihrer 1988 erschienenen Doktorarbeit mit dem Titel "A.S.Neill und seine Schule Summerhill als Beispiel aus der Geschichte der antiautoritären Erziehung" versucht die Autorin Mißverständnisse bei der Rezeption von Neills Erziehungsmodell auszuräumen. Dabei erliegt sie selbst bereits in der Wahl ihrer Überschrift der grundlegenden Mißinterpretation Neills als Vertreter eines "antiautoritären" Modells. Die Lektüre von SCHMIDt-Herrmanns Arbeit wird von der schlechten Kenntnis der englischen Sprache der Autorin, die sich in zahllosen orthographischen Fehlern in den Zitaten und eklatanten Übersetzungsfehlern dokumentieren, und den vielen falschen Quellenverweisen und Zitierfehlern enorm erschwert.

Themenschwerpunkte der Arbeit SCHMIDt-Herrmanns sind Neills Auseinandersetzung mit den psychoanalytischen Ansätzen Homer Lanes und Wilhelm Reichs, das Menschenbild Neills und die daraus resultierende Erziehungspraxis - aus der Schmidt-Herrmann eine "antiautoritäre Führungstheorie" ableitet [S.151ff], die Mittel entwickele, auf Kinder ohne Zwang und Unterdrückung einzuwirken. Sie konstatiert, daß Neill in seiner Pädagogik kognitive Aspekte gegenüber emotionalen vernachlässigt habe [S.187] und kritisiert aus diesem Grund seine Bildungsvorstellungen. Neill konzentriere sich auf Beobachtungslernen und vernachlässige systematische Aspekte der Wissensaneignung, das er als gering zu schätzendes "Bücherwissen" abtue. Trotz der Konzentration auf emotionale Aspekte vermißt SCHMIDT-HERRMANN in der Pädagogik Neills Anteile, die Kinder und Jugendliche befähigen, empatisch zu handeln [S.194ff.]. Neills Einschätzung, daß die Freiheit des einzelnen da endete, wo sie die Freiheit anderer einschränke, wird von ihr gewissermaßen mechanistisch interpretiert - der einzelne lerne diese Einschränkung nicht von selber zu bemerken, sondern sei und bleibe auf die Reaktion der anderen angewiesen. "Richtungsweisungen des Erziehers, die Gefühle des Mitleids oder Helfenwollens zu wecken suchen, nennt er [Neill] keine, weil er sie nicht in positiver Beziehung zum Individuum zu setzen weiss." [S.199]

Ihre Schlußbetrachtung über die "Bedeutung Neills für die Pädagogik" faßt SCHMIDT-HERRMANN in vier Punkte zusammen:

Die Dissertation von Ute SCHMIDT-HERRMANN stellt eine Bereicherung der Literatur, die sich ernsthaft mit Alexander Neill befaßt, dar. Über die formalen Schwächen der Arbeit hinwegstolpernd erhalten ihre Leserinnen und Lesern einen Einblick in Neills Interpretation und Praxis psychoanalytischer Ansätze. Ute SCHMIDT-HERRMANN läßt bewußt unberücksichtigt, daß Neill selbst sehr gegen Ende seines Lebens festgestellt hat, daß es die Freiheit, nicht die Psychologie sei, die die Erziehung der Kinder in Summerhill präge.

* KAHLO 1991(?) (unveröffentlicht)

In ihrer umfangreichen Magisterarbeit (vermutlich aus dem Jahr 1991) an der Universität Erlangen untersucht Birgit KAHLO den Einfluß Alexander Neills auf das Schulsystem in Deutschland. Sie setzt sich einleitend mit der antiautoritären Erziehungsbewegung auseinander und grenzt Neill von ihr ab [S.1f]. Nach einer umfassenden Darstellung von Neills pädagogischen Grundsätzen und der praktischen Umsetzung in Summerhill stellt sie die abschließende Frage, welchen Sinn Neills Erziehungsversuch hat, "der als Modell offensichtlich nicht auf die reale Gesellschaft übertragen werden kann." [S.64] Sie führt drei Hauptargumente für ihre negative Antwort an:

  1. Neill habe seine pädagogischen Grundannahmen keiner wissenschaftlichen Überprüfung ausgesetzt und seine Theoriebildung passe sich der Praxis an und nicht umgekehrt.
  2. Die Insellage Summerhills und die Herkunft der Schülerinnen und Schüler aus einer wohlhabenden Bürgerinnen- und Bürgerschicht lasse einen Bezug zur realen Gesellschaft vermissen.
  3. Die charismatische Persönlichkeit Neills habe Summerhill in so einem Maße geprägt, daß die Schule als "Ausweitung seiner Persönlichkeit" angesehen werden könne [S.67].
Neills Schulversuch habe lediglich den Sinn, die pädagogische Diskussion bis in die 70er Jahre hinein zu beleben und traditionelle Erziehungsgrundsätze in Frage zu stellen. Damit habe er überwiegend in der Familienerziehung - weniger im Schulwesen - einen Umbruch bewirkt. "Sein pädagogisches Konzept hat keinen Einfluß auf den schulischen Bereich unserer Gesellschaft ausgeübt, aber der Einfluß Neills auf das pädagogische Verhältnis in vielen Familien ist nicht zu unterschätzen." [S.69]

&GOODSMANN 1992

In ihrer Doktorarbeit, "Summerhill. Theory and Practice", aus dem Jahr 1992 beschreibt die ehemalige Summerhill-Schülerin Danë GOODSMANN die Schule aus ethnographischer Perspektive. Sie geht der Frage nach, inwieweit die "Kultur der Schule" von "Insidern" und "Outsidern" unterschiedlich bewertet wird. Einen Großteil der Arbeit verwendet sie auf die Beschreibung des Schullebens und der Schulkultur aus Sicht der Schülerinnen und Schüler und ihre Hauptthese ist, daß die älteren Schülerinnen und Schüler als kulturelle Expertinnen und Experten eine Vermittlerinnen- und Vermittlerrolle sowohl gegenüber den jüngeren Kindern als auch gegenüber dem Personal einnehmen. Kinder, die nach Summerhill gesandt werden, werden also aus diesem Betrachtungswinkel in die Obhut anderer Kinder gegeben [S.222].

Die Darstellung vermittelt den Eindruck, daß Danë GOODSMANN der Insider-Sicht - trotz aller in der Arbeit diskutierten Implikationen dieses Standpunkts - den Vorrang gegenüber außenstehender Betrachtung gibt ("Summerhill creates Summerhillians" [S.221]). Als sie nämlich in einem wesentlich kürzeren Abschnitt auf die Sichtweise von "Outsidern" eingeht (sie analysiert zu diesem Zweck eine recht große Auswahl von Texten über die Schule [75]) kommt sie zu dem Schluß, daß die Betrachter in der Schule überwiegend ihre eigenen Vorstellungen widerspiegeln. Sie schreibt zusammenfassend über Summerhill: "I made the claim that it has never been subject to research." [S.219]

Die Qualität der Arbeit von Danë GOODSMANN liegt zweifellos in der differenzierten Beschreibung der Schulwirklichkeit aus Sicht einer ehemaligen Schülerin. In ihrer Kritik der Perspektive Außenstehender begibt sie sich auf schwankenden Grund: Wäre eine Betrachtung von außen unzulässig, könnte über keine Schule oder Institution vergleichend oder auch nur beschreibend Bericht erstattet werden. Danë GOODSMANN unterbewertet die Fähigkeit Außenstehender, von ihren Positionen aus zu abstrahieren. Sie gesteht den Autorinnen und Autoren keine kritische Distanz zu ihren eigenen Positionen zu (und mag dabei in Einzelfällen Recht haben) und will gleichzeitig mit ihrer Arbeit unter Beweis stellen, daß eine wissenschaftliche Ausbildung Menschen zu kritischer Selbstdistanz befähigt. Damit ist ein Paradoxum konstruiert, aus dem sich Danë GOODSMANN in ihrer Arbeit nicht befreien kann. Über die außenstehende Betrachtungsweise schreibt sie: "Summerhill was viewed as the embodiment on an ideology, not simply as a school. I argued that writings about Summerhill tend to reflect quite directly the values and concerns of their authors. People find the Summerhill they seek." [GOODSMANN 1992, S.226] "It tends to be interpreted as a reflection of what people want it to be rather than what it is." [S.227]

* BLEIWEIS 1995 (unveröffentlicht)

Birgit BLEIWEIS hat 1995 eine Diplomarbeit vorgelegt, in der sie Summerhill mit der Glockseeschule in Hannover vergleicht. Dabei konzentriert sie sich zunächst auf Unterrichtsmethoden, die unterschiedlichen Konzepte der Selbstregierung, die Geschlechtererziehung, die Einbeziehung von Eltern und die Schichtzugehörigkeit der Kinder, die die Schulen besuchen. Anschließend wendet sie sich den Erziehungszielen der Schulen zu und analysiert einzelne Aspekte dieser Ziele wie z.B. "Glück" bei Neill.

Bei ihren Vergleichen spricht sie der Glockseeschule eine bessere Position zu. Sie habe bei Aspekten wie Unterrichtsmethoden, Geschlechtererziehung, Elternbeteiligung und Schichtenverteilung einen höheren Entwicklungsstand. Lediglich bei der Selbstbestimmung der jungen Menschen schneidet Summerhill besser ab.

Abschließend behandelt sie einerseits den Vorwurf der Inselpädagogik an derartigen Modellschulen [76] und andererseits die Möglichkeit der Übertragung von Alternativschulmethoden auf die Regelschule. Im Rahmen dieser Fragestellung resigniert Birgit BLEIWEIS vor der Politik, der sie eine nahezu unbeschränkte Entscheidungsgewalt für den Schulbereich zuspricht.

& KÜHN 1995

Die Biographie, die ich selbst 1995 veröffentlicht habe, fußt auf umfangreichen Literatur- und Quellenstudien in Schottland und England. Jonathan CROALL, der Autor der englischsprachigen Biographie Neills, hat mir freundlicherweise sein Quellenmaterial zur Verfügung gestellt [77], was eine erneute Durchsicht und Bewertung vieler Quellen ermöglicht hat.

Insbesondere die "Nachbemerkung" meines Buches von 1995 ist in Zusammenhang mit der hier vorliegenden Arbeit von Bedeutung [78]. Darin hebe ich hervor, dass Neill durch die enorme Popularität seiner Bücher in den Köpfen der Menschen viel bewegt hat. Heute sind Zwangsmittel in der Erziehung verpönt und es besteht ein Konsens darüber, daß demokratische und emanzipatorische Ziele in der Erziehung einen hohen Stellenwert haben. Darüber, ob Neills Schriften herzu beigetragen haben oder deren Popularität eine Folge dieses Trends war, kann nur spekuliert werden. Gleichwohl können wenig Auswirkungen freiheitlicher Pädagogik im Sinne Neills im staatlichen Schulwesen nachgewiesen werden. Deshalb sind Neills Ansichten fortwährend für Reformbestrebungen im Erziehungswesen von Bedeutung [vgl. KÜHN 1995, S.132f].

* ZELLINGER 1996 (unveröffentlicht bzw. im Internet einsehbar)

Margit ZELLINGER hat im Jahr 1996 eine Diplomarbeit an der Universität Salzburg vorgelegt, in der sie einen vierjährigen Forschungsprozeß zusammenfaßt, dessen zentrales Anliegen die Bewertung Summerhills durch ehemalige Schülerinnen und Schüler war. Bereits im Vorwort muß sie jedoch das Scheitern dieses Anliegens feststellen. Von den nur 30 Fragebögen, die sie an ehemalige Summerhill-Schülerinnen und -Schüler verteilen konnte, bekam sie nur die Hälfte zurück. Persönliche Gespräche konnte sie mit ihrer Zielgruppe nur in geringem Umfang an zwei Besuchswochenenden in Summerhill führen.

So verwendet Margit ZELLINGER einen großen Teil ihrer Arbeit auf die Beschreibung von Neills Leben (als Österreicherin beschreibt sie besonders differenziert das Jahr 1923, als die Schule auf dem Sonntagberg war) und die Schulwirklichkeit heute mit den sie umgebenden Strukturen (das englische Schulsystem, Förderinstitutionen).

Die 15 von ihr befragten ehemaligen Schülerinnen und Schüler stammen aus unterschiedlichen Altersgruppen und waren zu unterschiedlichen Zeiten und unterschiedlich lang in Summerhill. Die Ergebnisse ihrer Befragung stellt Margit ZELLINGER denen Emanuel BERNSTEINS von 1968 gegenüber. Die Hälfte der Befragten (sieben) kamen deshalb an die Schule, weil sie in der vorhergehenden Schule Schwierigkeiten entwickelt hatten. Andere wurden an die Schule geschickt, weil die Eltern auf ein Internat angewiesen waren, und nur ganz wenige wurden nach Summerhill geschickt, weil ihre Eltern eine Vorliebe für Neills Pädagogik hatten oder bei der Beschäftigung mit der Philosophie der Schule entwickelten. Die Befragten berichteten, daß sie nur wenig Heimweh bekommen hätten und schnell Beziehungen zu anderen (vor allem älteren) Kindern aufgebaut hätten. Viele der Kinder blieben - unabhängig von vorhergehenden Schulerfahrungen - lange Zeit dem Unterricht fern. Trotzdem legten zwei Drittel aller Befragten gegen Ende ihrer Schulzeit reguläre Abschlußprüfungen ab und erlangten einen qualifizierten Schulabschluß. Kritik wurde an den schlechten Unterrichtsmethoden geübt, während gleichzeitig die kleinen Lerngruppen, der individuelle Lernstil und das freundschaftliche Lehrende/Lernende-Verhältnis geschätzt wurden. Abschließend stellten zwei Drittel der Befragten fest, daß sie von ihrer Schulzeit in Summerhill persönlich profitieren konnten, vier waren unsicher in dieser Frage und einer meinte, ihm habe der Besuch der Schule geschadet. Als wichtigste Aspekte des Schullebens wurde die Selbstverwaltung durch die Kinder und Erwachsenen sowie die Freiheit, den Spieltrieb auszuleben, angeführt. Die erste Zeit nach Verlassen der Schule bezeichneten viele ehemalige Schülerinnen und Schüler als schwierig. Besonders das Bewußtsein, über wenig Faktenwissen zu verfügen, verunsicherte die jungen Menschen. Als positives Element wurde von ihnen jedoch hervorgehoben, daß sie Selbstsicherheit erlangt hätten und in der Lage waren, zielgerichtet zu lernen. Von den 15 Befragten haben sieben die Hochschulreife erlangt und weitere fünf einen Abschluß, der der mittleren Reife gleichgesetzt werden kann. Es fiel auf, daß die ehemaligen Summerhill-Schülerinnen und Schüler überdurchschnittlich viele Kinder hatten. Offenbar haben sie eine positive Attitüde gegenüber Kindern und Kindheit entwickelt. Gleichwohl sehen die Befragten - ähnlich wie die von Bernstein 1968 Befragten - keine Möglichkeit und Notwendigkeit, ihre Kinder in Summerhill unterrichten zu lassen. [S.105ff].

Margit Zellingers Untersuchungsergebnisse sind nicht nur aufgrund der kleinen Untersuchungspopulation, sondern vor allem aufgrund ihrer selektiven Auswahl (Besuchswochendende in Summerhill) leider nicht repräsentativ. Gleichwohl vermitteln sie einen Eindruck von der Wirkung der Summerhill-Pädagogik, der Interesse an tiefergehenden Studien weckt.

* AHRENS 1996 (unveröffentlicht bzw. im Internet einsehbar)

In ihrer Examensarbeit untersucht Birgit AHRENS die Relevanz für die öffentlichen Schulen heute von "Theorie und Praxis Summerhills als reformpädagogisches Modell". Sie hat Summerhill besucht und am Schulalltag teilgenommen sowie Gespräche mit der Direktorin Zoë Readhead und Schülerinnen und Schülern geführt.

In einem einleitenden Teil beschreibt sie die biographische Entwicklung Neills, seine "Mentoren" Lane, Freud und Reich und sein Menschenbild. Dann stellt sie die "Neillschen Erziehungsprinzipien" dar, die sie in drei Schwerpunktfelder gliedert: Freiheit, Selbstbestimmung und Glück als Ziel der Erziehung. Im weiteren Verlauf wird die aktuelle Organisation in Summerhill - also 25 Jahre nach Neills Tod - beschrieben. Und schließlich kommt Birgit AHRENS zum "Einfluß Summerhills auf pädagogische Ansätze der Studentenbewegung". Dabei analysiert sie zunächst den Begriff "antiautoritäre Erziehung" [S.67ff] und bemüht sich um eine Abgrenzung von Neills Erziehungsmodell zu den Erziehungskonzepten z.B. der Kinderladenbewegung. Anschließend behandelt sie die deutsche Alternativschulbewegung und deren Bezüge zu Summerhill.

In einem weiteren Abschnitt geht sie auf die Kritik an Neills Erziehungsmodell ein und abschließend kommt sie zur "Relevanz für die Schule von heute". Hier stellt sie zunächst Neills Auffassung über die Schwierigkeiten einer Übertragung der Summerhill-Prinzipien auf das allgemeine Schulwesen voran (und stellt fest, daß Summerhill nie den Anspruch erhob, Vorbild für Regelschulen zu sein [S.100]). Dann analysiert Birgit AHRENS die Strukturelemente des öffentlichen Schulwesens, die eine Übernahme der Prinzipien erschweren, und schließlich vergleicht sie die Ziele des Bildungsplans in Baden-Württemberg mit der Pädagogik Neills. Sie kommt zu dem Schluß: "Während einige Ziele übereinstimmen, so gibt [es] in der deutschen Regelschule jedoch kaum Methoden, um diese zu verwirklichen." [S.97] Die Zielsetzungen Neills fänden sich ebenfalls in den Bildungsplänen [S.98]. Eine Übertragung mache jedoch strukturelle und institutionell-hierarchische Neuordnungen erforderlich, die durchzusetzen kaum möglich sein würde.

Abschließend kritisiert Birgit AHRENS die aktuellen Gegebenheiten Summerhills und fordert eine Neuorientierung z.B. in bezug auf ökologisches Handeln. Trotz ihrer recht grundsätzlichen Kritik schließt sie ihre Arbeit mit den Worten: "Hier gilt es eine Tradition fortzusetzen, die sich bereits seit 75 Jahren erfolgreich gegen innere und äußere Angriffe behauptet hat." [S.103]

Birgit AHRENS umfangreiche Examensarbeit ist klar gegliedert und sorgfältig recherchiert. Sie stellt einen beachtenswerten Beitrag zur Rezeption Neills und seines Erziehungsmodells dar und vermittelt auf anschauliche Weise eine plausible Interpretation der tatsächlichen und möglichen Wirkung Neills auf die Schulpädagogik.



Fußnoten

[75] Besonders Artikel aus der Tagespresse, die sie in einem Anhang der Arbeit wiedergibt (sie dürfen in England aus urheberschutzrechtlichen Gründen nicht vervielfältigt werden und sind deshalb in der von der British Library kopierten Fassung der Arbeit nicht enthalten) vertreten eine sehr undifferenzierte Betrachtung der Schulwirklichkeit [vgl. hierzu auch den Abschnitt über die Presseberichterstattung ab àS.83].

[76] Sie entkräftet ihn ähnlich wie Kamp, der sagt, daß dieser Insel Vorwurf "sich auch auf beinahe jede normale Schule. Jedes normale Heim anwenden" läßt[Kamp 1995, S.446].

[77] Es ist im "Planned Environment Therapy Trust Archive and Study Centre" archiviert. Dieses Zentrum wurde "established in 1989 to gather, care for, and make available in a professional and appropriate way archive, library and other materials related to planned environment therapy, therapeutic community, milieu therapy, and progressive/alternative/democratic education more generally" [http://www.pettarchiv.org.uk/ (Zugriff im Juli 2001)].

[78] Die hier vorliegende Arbeit baut gewissermaßen auf die "Nachbemerkung" in dem Buch von 1995 auf.



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